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194 Abhärtung der Thiere und Menschen. obwohl von den Russen unterjocht und diesen tributpflichtig. Sie leben in höchst merkwürdiger Weise vereinsamt, nie in Dörfern bei einander, so» dcrn immer nur zu je einer Familie, welche mitunter aus mehreren Zel ten und Haushaltungen besteht. Im Sommer haben sie Zelte von Fellen, für den Winter machen sie ihre Wohnung größer und graben sich dabei in die Erde. Auch einige Vorrathshäuser fehlen ihnen nicht, denn sie müssen während eines überaus kurzen Sommers so viel getrockne tes Gras sammeln, um ihren Viehstand den Winter über ernähren zu können. Aber dieser ist so abgehärtet, wie die Leute selbst. Sinkt die Tem peratur bis in die Nähe des Gefrierpunktes des Quecksilbers, so werden allerdings die Kühe zur Familie gezogen, d. h. man bringt sie in der Wohnung unter, die Pferde aber bleiben unter allen Umständen im Freien und sie haben dazu einen ordentlichen Pelz, den sie mitten im Sommer ähnlich den Rennthieren abwerfen, worauf ihnen aber sofort neues, starkes, flockiges Haar wieder wächst, vermöge dessen sie im Stande sind, die Tem peratur des gefrierenden Quecksilbers im Freien zu ertragen. Dabei sind sie kräftig, wohlgenährt, obschon sie bei den monatelangen Reisen nur Gras bekommen, welches auf dem Halme vertrocknet ist und welches sie sich selbst aus dem Schnee scharren. Sie bleiben dabei viel länger jung, als unsere Pferde und sind noch im dreißigsten Jahre thätig und kräftig. Sie machen ohne Anstrengung einen Weg von sechs deutschen Meilen im vollen Ren nen, gelangen schäumend an Ort und Stelle, bekommen einiges Heu znr Kräftigung und bleiben dabei unter 40 Grad Kälte ohne Decke im Freien stehen. Aber man muß nicht glauben, daß der Jakute selbst es besser haben wolle. Der Reisende Wrangell übernachtete einmal mitten im Dezember bei 40 Grad unter Null auf einer vollkommen offenen, nirgend geschützte» Haide. Die Jakuten, seine Begleiter, hatten keine Pelze, sondern nur ihre gewöhnliche Hanskleidung. Um zu schlafen, legte sich jeder auf seine Pferde decke, den' hölzernen Sattel zum Kopfkissen nehmend. Seine Jacke zieht er aus und deckt sie sich über Schultern und Rücken, den vorderen Thcil des Körpers wendet er gegen das gut erhaltene Feuer. Hat er eine Weile so gelegen, bis er sich erwärmt fühlt, daß er dem Schweiß nahe ist, so verstopft er sich Nase und Ohren mit kleinen Stück chen Pelz, bedeckt sein Gesicht mit den Aermeln der Jacke, so daß nur ei» ganz kleines Winkelchen offen bleibt zum Athemholen und damit ist alles gethan, was erforderlich ist, um diese grimmige Kälte zu ertragen; er erfriert sich dabei nicht die Zehenspitze, viel weniger sonst etwas anderes. Ja es kommt wohl vor, daß die Jacke ihm von den Schultern gleitet