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94 Das Wasser. Anschein von Wahrheit und Thatsächüchkeit, der an dieser Vorstellung haftet, schwinden. Da bei dem Untersinken des Landes die Bergspitzen doch schwerlich alle gleichmäßig hoch gewesen sein dürften, so wird es unzählig viele ge geben haben, die, während einige noch ans dem Wasser herausragten, schon ganz untergegangen waren. Hier würden die Corallenthierchen' also auf dem Gipfel zu bauen angefangen haben. Wir müßten demnach Co- ralleninseln von Kreisform finden, welche in der Mitte höher sind als am Rande — es giebt aber dafür im ganzen großen Ocean nicht ein ein ziges Beispiel. Wir haben sehr viele Gürtelriffe im stillen Meere; sonderbar muß es erscheinen, daß keins vorkommt, welches mit seiner Insel gerade so weit gesunken ist, daß nur die Spitze des ehemaligen Berges noch über Wasser ist, oder so viel tiefer, daß die Corallen auch aus der Spitze schon ange fangen haben zu bauen, so daß wir ein Gürtelriff fänden mit einer Co- ralleninsel in seiner Mitte. Auch hierfür giebt es kein einziges Beispiel. Würden die Grundlagen, auf denen die Corallenthiere bauen, in stetem Sinken begriffen sein, so wäre es unmöglich, daß ihre Bauten sich irgendwo über Wasser zeigten, da sie nur unter demselben leben können, und sterben, so wie sie daraus entfernt werden. Im Gegentheil giebt es aber unendlich viele Coralleninseln, die 6, 12, ja 20 Fuß hoch über Wasser sind — dies spricht eher für eine Erhebung als für eine Senkung des Meeresbodens. Vor allen Dingen aber würde die Lagune so gebildeter Attolls oder Ringinseln eigenthümliche Tiefenverhältnisse haben, wenn sie aus einem Gürtelriff entstanden wäre, welches mit seiner Insel, mit dem umgebenden Berge bis zum Verschwinden des Gipfels gesunken wäre. Da nämlich die Corallenthierchen nur selten horizontal, vielmehr fast immer von unten aufwärts strebend, in senkrechter Richtung fortbauen, so müßte die Lagune eines eigentlichen Attolls, einer vollkommenen flachen Ringinsel, zunächst vom Rande am tiefsten sein; je mehr man sich der Mitte dieser Lagune nähert, desto mehr nähert man sich zugleich dem Gipfel des versunkenen Berges, desto geringer müßte also die Tiefe wer den, bis dieselbe gerade über der Mitte am allergeringsten wäre, weil man sich hier über der Spitze des Berges befindet. Die Erfahrung lehrt jedoch, daß dieses Verhältniß nirgends eintritt und daß man im Gegentheil von dem Rande der Insel nach der Mitte zu messend, zuerst die allergeringste Tiefe, dann eine immer größere und endlich in der Mitte die allergrößte Tiefe findet, welche übrigens fünfzig Klafter fast niemals übersteigt.