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464 Das Wasser. Massen im Laufe der Zeiten (allerdings wohl der Jahrtausende) schwarz zu färben. So weit nämlich die Wasser reichen, bemerkt man einen blei farbenen Ueberzug, welcher manganhaltig, vielleicht auch kohlenstoffhaltig ist, kaum eine zehntel Linie in das Gestein eindringt, doch keinesweges eine blos oberflächliche Färbung ist, die man etwa abwischen könnte, son dern beim Absprengen des Gesteins sich als eine oberste Schicht desselben ausweist. Diese Schwärzung dringt nun so hoch an den sonst hell-röthlich gefärbten Gesteinmassen hinauf, und man kann daran ganz deutlich die Stellung erkennen, welche die Wasser in diesem Thale einst eingenommen haben und welche mit jenen Auswaschungen übereinstimmen; sie sind 150 bis 180 Fuß über dem jetzigen Standpunkte der Oberfläche des Orinoco erhoben und zeigen, daß dieser Strom, dessen Größe unser Erstaunen er regt, nur noch ein Miniaturbild von dem ist, was er einst gewesen — ein Resultat, das übrigens auch bei Betrachtung unserer europäischen Ströme sich dem Forscher, wie dem unbefangenen Beschauer aufdrängt, und welches selbst den Indianern jener Gegend nicht entgangen ist, die Humboldt häu fig aus eigenem Antriebe auf die Spuren des alten Wasserstandes aufmerk sam machten; ja man glaubt, daß zu einer Zeit, welche jenem Wasserstande entsprach, schon Menschen gelebt und hier gewohnt haben, denn in der Grasflur von Uruana liegt ein isolirter Fels, welcher in der Höhe von 80 Fuß über dem Boden die Bilder der Sonne, des Mondes und ver schiedener Thiere, besonders von Krokodilen und großen Boaschlangen, in Menge und beinahe reihenweise eingemeißelt trägt. Auch die wunderbaren hieroglhphischen Steinbilder in den Gebirgen von Uruana und Encaramada befinden sich in derselben Höhe, und ohne Gerüst vermag Niemand dort hinauf zu gelangen. Die Eingebornen geben über diese Werke menschlicher Hand die Auskunft: „daß sie vor hielen Sonnenläufen zur Zeit der ho hen Wasser gemacht seien von ihren Vätern, die ehemals hoch oben auf den Bergen wohnten." Nach Humboldt ist die Sache selbst außer Zweifel, denn er führt die denkwürdigen Worte an: „Ein solcher Wasserstand war also eines Alters mit den rohen Denkmälern menschlichen Kunstfleißes, er deutet auf eine ehemalige, vor der jetzigen sehr verschiedene Vertheilnng des Flüssigen und des Festen, auf einen vormaligen Zustand der Erdoberfläche, der je doch mit demjenigen nicht verwechselt werden muß, in welchem der erste Pflanzenschmuck unseres Planeten, die riesemnäßigen Körper ausgestorbener Landthiere und die pelagischen Geschöpfe einer chaotischen Vorwelt in der