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Orinoco. Stromschnellen. 463 Punkt, wo der Strom sich einen Weg durch den engen Paß von Baraguan gebahnt hat — hier erkennt man überall Spuren chaotischer Verwüstung. Nördlicher, gegen Uruana und Encaramada hin, erheben sich Granitmassen von groteskem Ansehen, in wunderbare Zacken getheilt, und von blendender Weiße leuchten sie hoch aus dem Gebüsche hervor. Von der Mündung des Apure, der, von den Andes kommend, sich auf der linken Seite in den Orinoco ergießt (im Staate Venezuela und gegenüber der Stadt Caicara), fließt der mächtige Strom, die nördliche Richtung verlassend, nach Osten; es tritt auch hier das Granitgebirge, welches nunmehr südlich von ihm bleibt, in die Ferne zurück — weite, unermeßliche Ebenen, mit Urwald bedeckt, umgeben ihn, dort beginnt sein unterer Lauf, den wir nicht näher betrachten werden; über den mittleren Lauf aber und dessen Eigenthümlichkeiten wollen wir noch den nöthigen Bericht erstatten, weil derselbe charakteristisch für beinahe alle größeren Ströme (ausgenommen solche, wie die Wolga, welche von ihren Quellen an eigentlich nur einen unteren Verlauf haben) genannt werden kann. Zwischen den Quellen der Flüsse Sipapo und Ventuari drängt sich ein mächtiger Rücken, dem Granitgebirge Cunavami angehörig, weit gegen Westen vor, dem Gebirge Umama entgegen. Bei dem Missionsdorfe Maipures bilden die Berge einen weiten Busen, das ehemalige Becken des Orinoco bezeichnend, welcher jetzt, an den östlichen Bergabhang gedrängt, schäumend neben demselben hinstürmt. Die Ebene ist ungefähr 30 Fuß über dem jetzigen oberen Wasser stande des Flusses gelegen, und zahlreiche Beweise sprechen dafür, daß hier derselbe einst ein solches Seebecken erfüllt hat, wie der Rhein zwischen Straßburg und Mainz oder wie die Donau zwischen Wien und Orschowa (d. h. ganz Nieder-Ungarn), und daß dieses Bestand hatte, so lange als die Bergkette dem Andrange des Wassers Widerstand leistete. Als der Durchbruch erfolgte, trat zuerst die Grasflur, welche jetzt die Guareken- Jndianer bewohnen, als Insel hervor, vielleicht umgab die Wassernlasse auch nach stärkerem Sinken noch die Felsen Keri und Oco, welche, wie Bergschlösser aus dem alten Strombette hervorragend, einen malerischen Anblick gewähren. Bei der allmähligen Wasserverminderung zog der Fluß sich endlich ganz an die östliche Bergkette zurück; die Gründe zu der eben ausgesprochenen Vermuthung haben die berühmten Reisenden, deren oben erwähnt wurde, in den Höhlungen gefunden, welche das Wasser an den östlichen wie an den westlichen Gebirgen in ganz gleicher Höhe gewaschen hat und welche unmöglich von einem anderen Umstande, als der einst so hoch gehobenen Fluth herrühren können. Ferner hat das Wasser des Orinoco, wie das des Nil, die Eigenschaft, die röthlich-weißen Granit-