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Regenrinnen. 445 Regen sammelt sich in den Vertiefungen und rieselt an den Hügeln nieder — hier schneidet er einige Zoll tief, vielleicht einen Fuß tief ein, die Wände des Einschnittes sind ganz steil, fast senkrecht — ein starker, an haltender Regen führt an dieser Stelle die Höhlung weiter aus, die Spalte wird breiter und tiefer. Da sich dieses seit Jahrhunderten und Jahrtau senden wiederholt, so sind nun die Regenrinnen nach und nach so tief ge worden, wie die Steppe höher liegt, als das Tiefland und es sieht aus, als ob dort mächtige, breite und weit verzweigte Ströme ehemals das Land durchfurcht hätten und jetzt ausgetrocknet wären. Da das Regenwasser stets im innersten Winkel eines solchen Gerinnes niedersinkt, so rückt dasselbe begreiflich immer weiter in die Hochebene hinein, welche dadurch von ihrem Rande aus viele Meilen weit eingeschnitten ist und solcher trocknen Flüsse, zu großer Beschwerde für die Bewohner und die Communieation derselben unter einander, in Menge hat. Während des Winters werden die senkrechten Wände ganz beeist, oft bauen sich Brücken von Schnee über diese Schluchten und wenn die Wege durch die blendende Bekleidung unkenntlich geworden sind (selbst Bepflanzung derselben mit Bäumen würde nichts fruchten, indem die weiter schreitende Regcnfnrche alle Wege dnrchschncidet und diese deshalb veränderlich, stets oberhalb der Spitze zusammenlaufen), die trügerische Decke aber unter dem Reisenden zusammenbricht, stürzt derselbe mit Wagen und Gespann mehrere hundert Fuß tief zwischen Schnee, Eis und Wasser hinein und ist unrettbar dem Tode Preis gegeben, denn an den steilen Wänden hinauf zu klettern, wäre für die flüchtigste Ziege unmöglich und meilenweit durch hundert Fuß tiefen Schnee nach dem Ansgauge der Schlucht zu gelangen, ist eben so unmöglich. Darum sieht man im Sommer, wenn der Boden der Schlucht nicht mehr- bedeckt ist, daselbst auch in jeder mehrere Verunglückte, welche, so wie ihre Zugthiere nun ein Raub der Wölfe werden und dann als bleichende Ge rippe dem Unvorsichtigen den Spiegel seines Schicksals Vorhalten, nur leider zu einer Zeit, wo die Warnung überflüssig ist, und nicht zu der Zeit, da sie nöthig wäre, weil sie selbst daun wieder so wie ihr weites Grab, mit Schnee bedeckt sind. Aus dem ganzen hier beschriebenen Vorgang sieht man, daß er ein durchaus anderer gewesen sein müsse als derjenige, dem die mächtigen Felsenspalten von 10000 Fuß Tiefe ihr Entstehen verdanken, allein grade wie in den südrussischen Steppen das gesammelte Regenwasser den Sand wegspült und schroffe Wände und Vorgebirge, wunderlich ausgezackt, stehen läßt, gerade so bilden große Wassermassen sich ihre eigenthümlichen Wege und bewerkstelligen Arbeiten von wunderbarster und gigantischer Art, wie wir an dem Fall des Lorenzstromeö sehen werden, dessen Beschreibung,