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444 Das Wasser. Hier finden wir die Siröme in ihrer Wiege, in einem sehr engen, immer felsigen, tiefen Bette. Eine Thalbildnng ist nicht zu erkennen, ein Thal kann man den Raum, in welchem der Fluß daher geht, nicht nennen, es ist eine Spalte, welche die Gebirgsmasse in ihrer ganzen Mächtigkeit durch setzt, es ist ein Riß in dem Gestein. In Europa finden wir Spalten der Art als Wiegen der Ströme, welche 6000 Fuß tief sind, der Fluß geht nicht auf weicher Erde, er geht auf hartem Gestein; seine Grundfläche ist nicht gerundet, sie ist spitz. Der Fluß hat an seinen beiden Seiten kein Thalgelände, keine Ebene, der Fuß kann nirgends auftreten, Saumpfade, die man hin und wieder findet, sind fast immer künstlich. In diesem oberen Verlauf haben die Ströme einen außerordentlich starken Fall, sie bilden häufig ununterbrochene Eascaden, wie die Reuß unter der Teufelsbrücke, ohne diese wäre es unmöglich, daß sie einen so bedeutenden Höhenunterschied zwischen ihrem Beginn und ihrem Austritt in das ebene Land hätten, dieser geht bei wenigen Meilen Länge nicht selten auf mehrere tausend Fuß. Noch sehr viel bedeutender als in den europäischen Gebirgen — wie wohl Alpen und Pyrenäen sehr schöne Beispiele in Menge darbieten — finden sich diese Einschnitte in den Eordillcras von Südamerika. Dort sind die Hochthäler von acht bis zehntausend Fuß hohen Gipfeln und Fels graten eingeschlossen, sie liegen auch ungefähr eben so hoch über der Mee resfläche, da wo die Flüsse (welche sie in der untersten Tiefe der Spalte vollständig erfüllen, so daß kein Fuß breit Land neben denselben ist), in das Vorland der Gebirge (das sich von demselben bis zum Meere erstreckt) eintreten, sind sie selten mehr als 1000 höchstens 1200 Fuß über der Meeresfläche, sie haben also einen Fall von sieben bis neun tausend Fuß innerhalb des Gebirges gehabt. Daran, daß sie sich diese Spalten gewaschen hätten, ist nicht zu denken, die Wände würden sonst parallel mit einander laufen, sie gehen aber von oben bis unten immer enger zusammen und enden in einem spitzen Winkel, unter welchem dieselben von Hause aus gegen einander geneigt sind. Auch der Lauf der Flüsse richtet sich ganz nach ihnen, sind sie gerade, so stürmt der Strom in gerader Linie fort, sind sie eckig, so stößt derselbe sich an jevem aus- und einspringenden Winkel, und diese Winkel entsprechen an beiden Wänden einander so vollkommen, daß wenn man dieselben auf ein ander legen könnte, sie sich vollständig decken würden. Wo der Boden weich ist, bildet sich der Fluß die Furche oder das Bette; in dieser Hinsicht sind die Regengerinne der asiatischen Steppen sehr lehrreich und interessant. Diese weit gedehnten Flächen liegen alle hoch und ziemlich eben mit nur geringen wellenförmigen Erhebungen. Der