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426 Das Wasser. sich am längsten schwebend im Wasser erhielt und demnach die Decke des Thales bildete. Zu einer solchen Seenbildung sind übrigens Berge und Gebirge durch aus kein nothwendiges Erforderniß; wir sehen dies au dem größten aller Seengebiete mit Abflüssen, wir sehen dies an dem canadischen, und auch der größte See der Erde, der caspische, hat kein Gebirge umher nachzu- weisen, mit Ausnahme des Kaukasus, welcher mit seinem westlichsten Ende an dasselbe stößt, ist von Gebirgen in unserem Sinne, d. h. von Gebirgszügen, die ihn rund einschließen, wie den Genfer- und den Comersee, keine Rede, der allergrößte Theil der Ufer des caspischen Meeres ist Flachland und Tief land. Ebenso ist es mir der großen Seenkctte, durch welche der Lorcnz- strom genährt wird — keiner derselben ist so klein, wie das Königreich Würtemberg oder Sachsen, der Obernsee ist sogar größer als das König reich Baiern — es wäre bei so mächtigen, ganz dicht zusammengedrängten Wassermassen die Vermuthnng, sie müßten im Schooße umfangreicher Ge birge liegen, vollständig gerechtfertigt, allein sie wird bei näherer Untersuchung keineswegs bestätigt; wie wir bereits bei Betrachtung der Wasserscheide ge sehen haben, zieht sich vom tropisch heißen mexikanischen Meerbusen bis zum ewig in Eis erstarrten Polarineere ein großes, weites Flachland, auf dessen Höhe sogar die Seen liegen, aus geringer Entfernung, aber ans waldreichen und daher regenreichen Gegenden unzählige Zuflüsse erhaltend, nirgends von Bedeutung, doch in Summa so mächtig, daß der gewaltige Lorenzstrom das Resultat derselben ist. Der höchste dieser Seen hat nur eine Erhebung von 570 Fuß über dem Meeresspiegel und der vierte derselben ist nur 40 Fuß niedriger — hier tritt aber plötzlich eine bedeutende Stufe hervor, das Land senkt sich zwischen dem Eriesee und dem Ontario um mehr als 200 Fuß und diese Stufe veranlaßt den mächtigsten Wasserfall der Erde, den Fall des Lorenzo- stromeö bei dem Fort Niagara. Der Felsendamm, über welchen die gewaltige Wassermenge stürzt, wird von dem Wasser so angegriffen, daß er nicht Widerstand leisten kann. Der Wasserfall ist in historischen Zeiten (das heißt für Nordamerika kaum hun dert Jahre, denn obschon die Holländer viel früher dieses Land betreten haben und die Engländer schon zur Zeit der Königin Elisabeth Virginien besetzten und nach der jungfräulichen Königin benannten, so reicht doch die Geschichte nicht bis dahin, sondern höchstens die Sage, indem die ersten Ansiedler andere Sachen zu thun hatten, als Wasserstände aufzeichnen) schon bemerkbar zurückgewichen; da dies wirklich der Fall ist, so steht den Bewohnern des Ontario und des ganzen Lorenzstromes eine schreckliche Zukunft bevor. Da nämlich dieser Felsendamm das ganze System der vier