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Seen ohne Abfluß. 411 Nirgends auf der ganzen Erde wiederholt sich diese Erscheinung in solch einer Ausdehnung, wohl aber kommt über die ganze Erde zerstreut dieselbe Erscheinung unzählig oft vor, und sie giebt Veranlassung, die Seen überhaupt in zwei Klassen zu theilen, in Seen ohne Abfluß — das sind eben die gedachten und viele andere in allen Welttheilen — und in Seen mit Abfluß, die dann eigentlich nichts Besonderes haben; sie sind ein Stück des Flusses, welcher, wie man gewöhnlich sagt, durch sie hindurch geht — sie sind aber eigentlich der erweiterte Fluß selbst. Nach diesen beiden Kennzeichen sind die Seen wirklich bedeutend von einander verschieden. Die erstgenannten Seen haben sämmtlich ein recht eigentlich stehendes Wasser, die Seen mit Abfluß haben durchweg fließendes Wasser, und obschon man am Bodensee, am Genfersce sehr deutlich den hindurchgehenden Strom erkennt, so ist doch, sobald man auf einem Theile des scheinbar stillstehenden Seewassers selbst still steht, d. h. in einem Boote vor Anker liegt, sehr deutlich zu bemerken, daß der See selbst fließe. Die Seen der ersten Art werden sich, wenn auch noch so langsam, doch endlich mit Erde, Sand, Lehm und Schlamm füllen, die anderen niemals; die elfteren erhalten unaufhörlich einen Zuschub an Erde von den Flüssen und Bächen, die in sie hineinmünden, dieser Antheil Erde u. s. w. setzt sich in dem nicht inehr fließenden, in dein ruhigen Gewässer ab, füllt den Boden des Sees auf, das Wasser wird dadurch gleichfalls gehoben, der Spiegel des Sees steigt und vergrößert sich immer mehr. Wie er sich verflacht, wie seine Tiefe abnimmt — endlich ist gar keine eigentliche Tiefe mehr da, das Wasser bedeckt nicht mehr, es benetzt nur noch den Boden, der See ist ein Sumpf geworden. In Polen und einem großen Theile von Rußland und Finnland ist es so, in Ostpreußen, Litthaucn, den preußischen Anthcilen von Polen war es so. Hier hat mit der sich vermehrenden Bevölkerung der Boden an Werth gewonnen, so daß man es bedauern mußte, in den gedachten Landestheilen manche hundert Quadratmeilen eines unvergleichlich frucht baren Bodens unbenutzbar liegen zu sehen; durch Anleitung geschickt aus gebildeter Vermessungsbeamten ward, nach Erlaß der trefflichen Landescul- tur-Gesetze, das Niveau dieser Sümpfe gefunden und die mehrsten der selben wurden durch Abzugsgräben trocken gelegt, indem man entweder gleich das Zuströmen der kleinen Flüsse, welches die ehemaligen Seen zu Sümpfen gemacht hatte, hinderte, sie ablcitete, oder indem man Canäle aus den Sümpfen selbst in benachbarte Flüsse führte. Solche Wasseran sammlungen finden sich aber nicht allein in nordischen, kalten oder in niedrigen Gegenden, sie finden sich auch in sehr heißen und hoch gelegenen Ländern.