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396 Das Wasser. Da wo der Orinoco bei dem 7700 Fuß hohen Duida vorbeiströmt, entsendet er einen Arm von bedeutender Stärke, den Cassiquare, gegen Südwesten hin ab, welcher einen Verlauf von 60 vollen Meilen hat, sich nochmals spaltet in Cassiquare und Itinivini und dann in den Rio Negro fällt, von welchem sein weißlich-graues, trübes Wasser im Vergleich zu der tiefen klaren Schwärze des Negro auffallend absticht. Humboldt sagt in seinen „Ansichten der Natur" über diesen Gegen stand: „In diesem oberen Theile des Flußgebietes, zwischen dem dritten und dem vierten Grade nördlicher Breite, hat die Natur die räthselhafte Erscheinung der sogenannten schwarzen Wasser mehrmals wiederholt. Der Atabago, dessen Ufer mit Carolineen und baumartigen Melastomen ge schmückt ist, der Temi, Tuamini und Guainia*) sind Flüsse von kaffee brauner Farbe. Diese Farbe geht im Schatten der Palmgebüsche fast in Dintenschwärze über. Mit wunderbarer Klarheit spiegelt sich in diesen schwarzen Strömen das Bild der südlichen Gestirne. Wo die Wasser sanft hinrieseln, da gewähren sie dem Astronomen, welcher mit Reflexions-Instru menten beobachtet, den vortrefflichsten natürlichen Horizont. Mangel an Krokodilen, aber auch an Fischen, größere Kühlung, mindere Plage von stechenden Jnsecten und Salubrität der Luft bezeichnen die Region der schwarzen Flüsse. Wahrscheinlich danken sie ihre sonderbare Farbe einer Auflösung von gekohltem Wasserstoffgas, der Ueppigkeit der Tropenvegetation und der Kräuterfülle des Bodens, auf dem sie hinfließen. In der Thal habe ich bemerkt, daß am westlichen Abfall des Chimborazzo, gegen die Küste der Südsee hin, die ausgetretenen Wasser des Rio de Guajaquil allmählig eine goldgelbe, fast kaffeebraune Farbe annahmen, wenn sie wochenlang die Wiesen bedeckten." Die vorhin angeführte Spaltung des Orinoco, mittelst welcher er einerseits nach Nordosten, anderseits nach Südwesten geht, beruht auf der Doppelfurchung des Bodens, der überhaupt hier im Allgemeinen ganz eben, im Einzelnen aber sehr verschieden geneigt ist; einen Beweis dafür liefert der Guaviare, ein Strom von bedeutender Mächtigkeit, welcher, von den Cordilleras herabstürmend, dem aus Osten herkommenden Orinoco diametral entgegenläuft (das Zusammentreffen geschieht bei dem kleinen Orte San Fernando) und ihn zwingt, seine Richtung in eine senkrecht auf die vorige stehende zu verändern, ihn nach Norden treibt. So wie nun hier zwei Ströme ans entgegengesetzten Richtungen auf einander zueilen und sich vereinigen, weil alles Land, welches sie durch- *) Dir- ist der Rio Negro, nach der Bezeichnungsart der Eingeborne« benannt. Anm. des Verfasser-,