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Eishöhlen in Norwegen. 383 gekommen, wußten die Führer dem Reisenden nicht anzugeben. Das Wasser aber, vielleicht von unten herauf gefroren, hatte sie nahe an die Oberfläche getrieben, und so waren sie in dem durchsichtigen Crhstall erstarrt. Hat man den Spiegel des Sees überschritten, so wird man durch ein eigenthümliches, fast melodisches Rauschen aufmerksam auf das einzige Be wegliche und Lebendige in diesen Eishöhlungen. Man steigt von dem Ufer des See's hernieder in einen tieferen Theil der Grotte, das Rauschen wird deutlicher, und endlich nimmt man in dem schon sehr gedämpften, ganz grünen Lichte einen Bach wahr, welcher, aus dem Schmelzwasser gebildet, das die Sonne von der Oberfläche der Eisberge abthauet, an der einen Seite der Höhle kleine Cascaden bildet; er hat wieder eine mehr Licht durchlassende Hinterwand, welche von Glas zu sein scheint — hat man sie umschritten, so soll der sich nunmehr darbietende Anblick bezaubernd sein. Es öffnet sich eine weite, hochgewölbte Höhle, welche nach der vorn Berge abgekehrten Seite so dünne Wände hat, daß sie das Licht nur wenig geschwächt durchlassen. Die Augen der Besucher sind aber auf dem langen Wege an das anfänglich blaue, dann grüne Dämmerlicht so gewöhnt, daß sich nun in der Tageshelle von selbst die geforderte, die Eomplementar- färbe, zeigt und man glaubt alle die durchsichtigen Wände in dem schön sten Rosen- und Purpurroth schimmern zu sehen. Lebhaft zieht die Blicke auf sich die eine Wand, welche aus lauter künstlich auf einander geschichteten Eiskügelchen, gefrornen Wassertropfen zu bestehen scheint, besonders wenn die Sonne dahinter fleht, und man in jedem einzelnen Tropfen das verkleinerte Bild derselben sieht. Die grüne Farbe des Eises ist etwas Wirkliches; daß die rothe aber nur eine subjektive sei, daß sie das Auge sich setze (wofür die Physik eine große Menge vollkommen überzeugender Versuche bietet), geht daraus hervor, daß bei längerem Verweilen in dieser Abtheilung der Eishöhle der rothe Schimmer nach und nach verblaßt, bis alles in dem gewöhn lichen weißen Lichte erscheint, deßhalb die Führer, welche wohl nicht wis senschaftlich begründet, doch aus ihrer eigenen Erfahrung dieses Verschwin den des Zaubers kennen, dem Besucher gewöhnlich nicht Zeit lassen, die Erfahrung selbst zu machen, sondern ihn nach kaum einer Minute zur Um kehr zu bewegen suchen. Da im ganzen diese Höhle nur aus Schnee, an den steilen Wän den des Sulitelma aufgehäuft und dann zusammengesintert, besteht, so ist begreiflich, daß ein anhaltender Sommer, von vielem warmen Regen und von häufigen Westwinden begleitet, sie dann und wann gänzlich ver schwinden macht, denn sie hat keinen Schutz von einer Berg- und FelS- rnasse, welche sie rund umhüllt, wie die Eishöhle in Steiermark, allein da