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380 DaS Wasser. Wanderer angähnenden Gletscher, dort einen Hügel, der an die Glasberge der alten Mährchen erinnert; da hat sich das Eis wie ein durchsichtiger Schleier in der schönsten Draperie von der Höhe des Gewölbes herab- gelassen, eine zweite Höhle geheimnißvoll verbergend, weiter im Hinter gründe findet man Cascaden und Wasserfälle in lautloser Erstarrung, scheinbar in vollem Sturze, in lebhafter Bewegung von dem eisigen Hauche ergriffen und in Krhstall verwandelt. — Nun thürmen sich dem Wanderer mehrere Hügel entgegen, welche nur mit vieler Mühe und nicht ohne Ge fahr zu übersteigen sind, und welche die zweite zugängliche Höhle von der ersten trennen. Hat man diese Hügel überstiegen, so tritt man in die gedachte zweite Eishöhle, und da dieselbe viel seltener besucht wird, als die erste, so ist noch kein Rauch der Fackeln an den Säulen und Ge wölben niedergeschlagen, der die glänzende Außenseite trüben könnte, alles schimmert und flimmert also in bei weitem größerer Klarheit und das Farbenspiel ist wahrhaft bezaubernd, denn das Licht wird durch die häufig eckigen Säulen so mannigfaltig gebrochen, daß sich Hunderte von kleinen Regenbogen bilden. Eine andere Eishöhle ähnlicher Art befindet sich bei dem Dorfe Szi- litze in der Gespanschaft Torna in Ungarn. Die Höhle heißt Lednitze. Sie hat eine von der vorigen sie sehr wesentlich unterscheidende Eigenschaft, die nämlich, daß die prächtigen stalactitenartigen Gebilde von Eis in un- gemein kurzer Zeit wachsen und ein andermal wieder beinahe eben so schnell verschwinden; man konnte vor wenigen Tagen die Höhle ganz bequem be suchen und man findet heute mächtige, tonnendicke Zapfen, oder unregel mäßige, felsartig gebildete Eisstücke von der Decke herabhängen, welche den Einsturz und das Zerschmettern dem unvorsichtig Nahenden drohen, und einige Tage später ist alles wieder verschwunden. Zweifelsohne hat das Innere dieser Höhle eine Temperatur, welche unter dem Frostpunkte liegt, das Gestein, welches sie bildet, läßt das Wasser leicht durch und es gefriert zu denjenigen Bildungen, welche man, wenn sie an den Dächern und Rinnen unserer Häuser gesehen werden, „Eiszapfen" nennt. Nun hat diese Höhle aber nicht einen Eingang, sondern ein riesiges Felsenthor von 60 Fuß Breite und 150 Fuß Höhe. Durch dieses com- municirt die äußere Luft mit der inneren der Höhle; kann nun die wär mere Luft da hinein dringen oder wirkt der Sonnenschein, vielleicht auch nur der Reflex desselben, lebhaft genug, so tritt während dieser Zeit Schmel zung des vorhandenen Eises ein, indeß zu den der Schmelzung nicht so günstigen Perioden das einsickernde Wasser durch die niedrige Temperatur der Höhle zum Gefrieren kommt. Eine der prächtigsten Eishöhlungen birgt das Norwegische Gebirge.