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378 Das Wasser. sich das ganze Jahr darin erhält. Die mehrsten der bekannten Höhlen dieser Art liegen in Frankreich und der Schweiz und sind von Pictet, Saussure und de Luc beschrieben worden. Vorzugsweise haben sie einen in das Gebirge hinabsteigenden Verlauf, ihr stets nach Osten oder Nord- osten gerichteter Eingang liegt 50 bis 300 Fuß höher als die Eismasse in der Höhle, daher dringt die kalte schwerere Luft des Winters bis auf den Grund derselben, dagegen die Sonnenwärme nicht dahin dringen kann, weil die erwärmte Luft, immer viel leichter als die kalte, diese aus ihrer ringsum abgeschlossenen Vertiefung nicht zu vertreiben vermag. Es würde dies möglich sein, wenn auch nur einiger Zug der Luft vorhanden wäre, dadurch etwa, daß an einem entgegengesetzten Ende derselben sich gleichfalls eine, wenigstens der Atmosphäre zugängliche Oeffnung befinde, dieses aber findet man bei Eishöhlen niemals — wo es gefunden wird, ent halten die Höhlen kein Eis. Es sammelt sich nun auf dem Boden der letzten Vertiefung Wasser, welches durch den porösen Kalk gedrungen ist; an sich höheren — also kälteren — Regionen angehörig, bringt es schon eine niedrige Temperatur an denjenigen Ort mit, an welchem es sich sammelt, es ist demnach eigent lich nichts wunderbares, dieses Wasser in einem Keller, der wohl der Kälte aber nicht der Wärme zugänglich ist, gefrieren zu sehen, und ist es einmal gefroren, so dürfte es recht schwer sein, dasselbe wieder aufzuthauen, weil eben keine Thauluft dazu dringen kann. Bis hieher wäre alles so ziemlich begreiflich, auch daß, wie man sagt, die Eismasse in solchen Höhlen stets im Zunehmen begriffen ist — weniger erklärlich dürfte der Umstand sein, daß jene in der Tiefe der Höhlen liegenden Eismassen sich während der ganzen Dauer des Frühlings des Sommers und eines Theiles des Herbstes vermehren, im Spätherbst aber schon zu wachsen aufhören und im Winter zum großen Theile weg- thauen sollen. Diese wunderbare Eigenschaft, welche in der Naturlehre keine Begründung findet, wird einer Eishöhle bei Besanyon, bei Vergi, bei St. Georges (1500 Fuß über dem Genfersee), der Höhle von Fon- deurle, dem sogenannten Schafloch im Kanton Bern rc. nachgesagt. Es ist allerdings wahr, daß es im Winter im Keller wärmer scheint als im Sommer, ja mehr noch, daß man zu sagen pflegt, im Winter sei es im Keller warm, im Sommer kalt! Allein das wird Niemanden, der sich nur einigermaßen mit den Gesetzen der Physik vertraut gemacht hat, täu schen; über diesen Gegenstand haben wir im Verfolg dieser Blätter uns auch bereits unterhalten, es ist eine Täuschung der Sinne, welche darauf beruht, daß wir durch unser Gefühl wohl Temperaturdifferenzen zu erkennen vermögen, aber nicht Temperaturen. So dürfte es auch mit