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298 Fünfzehntes Kapitel. Tote und Verwundete waren eine Lehre, ernstlich genug, um jetzt die streitsüchtigen Eingebornen Frieden zu lehren. Sobald indessen am nächsten Morgen die Expedition ihren Marsch fortsetzte, war auch die Bevölkerung von Süd-Nera in Hellen Scharen auf den Beinen. Die Eingebornen beschränkten sich jedoch darauf, in einer dichtgedrängten, volle 3 Km ausgedehnten Kolonne die Expedition in geringer Entfernung zu begleiten. Von Zeit zu Zeit jedoch gaben sie auch auf dieselbe aus ihren schwergeladencn Gewehren Schüsse ab. Da, nach drei Stunden, als eben die Ex pedition im Begriffe stand, die Grenze von Nera zu überschreiten, erhoben die Feinde den Kriegsruf und stürmten zum Angriff auf die Karawane vor. Augenblicklich warfen die Sansibariten ihre Traglasten ab, gaben Feuer und gingen dann im Sturmschritt den Feinden entgegen: ein Anblick, bei dem die Kampfbegier der Wanera auf der Stelle verflog; so schnell die Füße sie trugen, rannten sie zurück, um erst später wieder zu der langen Kolonne sich zu sam meln, die noch stundenweit bis nach Seke in gehöriger Entfernung zur Seite die Expedition begleitete. Auch in Nord-Seke hefteten sich bei dem Weitermarsche wieder ungeheure Mengen der Eingebornen an die Flanken der Expedition; auch dort bedurfte es, wie in Süd-Nera, eines Minuten-Gefechtes, um die gehörige Entfernung sie zu lehren. Sieben Tage ging es, soweit Ussukuina reichte, so fort in Kampf und Unruhe; erst als die Expedition am 25. September in Sinjanga intraf, begegnete sie freundlicher Gesinnung. „Lu! Lu!" riefen die Weiber als Willkommensgruß ihr zu und die Dorfältesten beglück wünschten Stanley, daß er „die verfluchte Bande" der Wassukuma verjagt hätte, die stets die Fremden belästige. Durch den schnellen Marsch und den glühenden Sonnenbrand waren aber Menschen und Vieh so erschöpft, daß sie einer mehrtägigen Ruhe bedurften, um sich zu erholen; dann ging es in fast südlicher Richtung weiter nach Usongo, wo der den Weißen sehr freundlich gesinnte Häuptling Mittinginja herrschte. Auch hier wurde eine achttägige Rast gemacht. Über sein Land hinaus ist der Name Mittinginjas ein Schrecken. Denn mit den gefürchteten Massai im Bunde unternimmt er Raub züge in die benachbarten Landschaften, von deren Beute jene die Rinderherden, er die Gefangenen erhält, welche er als Sklaven an die arabischen Händler verkauft. Diese Massai sind schlanke, sehnige Gestalten, in Tierhäute gekleidet, mit wahren Eisenmassen in den