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290 Fünfzehntes Kapitel. essen, und er wird nicht für euch arbeiten. Nehmt fünf Rinder für ihn." „Nein, nein, nein, nein! Wir wollen ihn selbst; denn er hat einen vornehmen Mann in unferm Dorfe erschlagen, und die andern werden vielleicht auch sterben. Wir wollen ihn mitnehmen." „Gut, nehmt ihn denn hin; er gehört nicht mehr mir und hat kein Recht mehr, in meinem Lager zu fein." Sie marschierten mit ihm fort: fein Schicksal war besiegelt! Am nächsten Tage zog die Expedition vom Urigi-See mehr nach Osten durch ein rauhes, steiniges Gebiet, das unbewohnt, ohne Wasser war und zahlreiche mit verkrüppelten, zwerghaften Sträuchern bedeckte Ameisenhügel aufwies, während sich nach beiden Seiten ein dünner Wald aus traurigen, blätterlosen, verfallenden und abge storbenen Akazien ausdehnte. Nachdem indessen der Scheitel der den See einfassenden Höhen überstiegen war, ging es in eine 270 m tiefer liegende, wellen förmige, mit blätterlosen, verkrüppelten Akazien bedeckte Ebene hinab. Am folgenden Tage wurde das nur noch 1286 in hoch liegende Dorf Kisinga erreicht, und 5 Km hinter dem Dorfe schon erhob die Vor hut ein Freudengeschrei: unabsehbar weit wie ein Meer lag der Victoria-Njansa vor den entzückten Augen ausgebreitet. Nicht eingesenkt in eine tiefe Furche wie der Albert- oder der Albert Eduard-See, sondern flach eingebettet in den Hochrücken des centralen Afrika liegt der Victoria-See da. Das giebt seinem Bilde etwas Freies und Offenes. In lichtem Blau erstrahlt die Wasser fläche, so breit, daß an keiner Stelle das Auge das jenseitige Ufer erfaßt; sobald aber vormittags der regelmäßige Südost aufspringt, nimmt sie einen milchigen Ton an. In dieser ungeheuren Wasser masse, die im Victoria-See aufgestaut vor Augen liegt, ist der wirkliche Ursprung des Nils zu erkennen; daneben ist das, was andere Seen oder Berge noch liefern, doch nur von nebensächlicher Bedeutung. Aber freilich giebt alljährlich der Victoria-See mehr aus, als er einnimmt. Um 8 om sinkt mit jedem Jahre sein Wasser stand. Infolgedessen zieht sich von den niedrigen Ufern sein Wasser spiegel mehr und mehr zurück und weite Strecken flachen Landes werden wasserfrei, auf denen jedoch erst, wenn der Salpetergehalt des Bodens im Laufe der Jahre durch Regengüsse vollständig aus gelaugt ist, eine kräftige Vegetation sich anzusiedeln vermag. Jetzt in der trockenen Jahreszeit ist der Boden hart am Ge-