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244 Dreizehntes Kapitel. meuterische Versammlungen gehalten: denn Stanley, den sie allein fürchteten, lag jetzt, ein todkranker Mann, in seinem Zelte. Täglich stieg die Zahl der Deserteure, welche aus dem Lager nach dem Albert-See zurückkehrten; bald zählte man gegen 80; und Gerüchte gingen um, daß die Rebellen vom See her im Anmarsche wären, um der ganzen Expedition den Garaus zu machen. Zugleich wurden die Leute im Lager durch die dreiste Behauptung aufgeregt, daß, wenn sie weiterzögen, bald Gras ihre einzige Nahrung sein würde, sodaß die Beängstigten in der Rückkehr nach dem See ihre einzige Rettung sahen. Auch Gewehrdiebstähle kamen wieder vor. Niemand war in all diesen nichtswürdigen Dingen eifriger, als Rehan, ein Sudanese. Emin, der ihn schätzte, hatte ein auf merksames Auge auf den viel geschäftigen Mann; endlich, obgleich stets die Güte und Nachsicht selbst, ließ er ihn verhaften und stellte ihn vor ein Gericht. Das Urteil lautete auf Erschießen. Emin ließ daher Stanley um einen Zug Sansibariten bitten, das Urteil zu vollstrecken. Allein Stanley, noch außer stände zu sprechen, flüsterte Stairs, der die Sache ihm vortrug, leise zu: „Sansi bariten dürfen nicht hingeschickt werden; der Pascha mag den Schul digen durch seine eigenen Leute erschießen lassen." Den dadurch entstehenden Aufschub benutzte Rehan verschlagenerweise, um mit 22 Männern und Weibern, die er aufgeredet hatte, unter Mit nahme einiger Gewehre der Expedition nach dem Njansa zu ent fliehen. Konnte Stanley eine solche Desertion im Großen ruhig geschehen lassen? Er sandte Stairs mit 40 Mann den Flüchtigen nach. „Im Lager am Njansa", sagte er, „werden Sie die Leute finden: aber seien Sie sehr behutsam; nehmen Sie sie plötzlich ge fangen und bringen Sie sie zurück." Die Verhaftung gelang vollständig: nochmals wurde Rehan vor das Kriegsgericht der Offiziere gestellt, welches ihn für ein jedes der ihm zur Last gelegten Verbrechen des Todes schuldig fand. Stanley, obgleich noch schwer krank, ließ sich ans seinem Bette auf den Lagerplatz tragen, aus welchem die ganze Expedition angetrcten war, um der Hinrichtung des Verbrechers beizuwohnen. Mit Mühe richtete Stanley sich auf; war doch Rehan einer der Soldaten ge wesen, die Emin Pascha einst als Leibgarde ihm mitgegeben hatte. „Rehan", redete er den alten Marschgefährten an, „wir stehen beide vor Gott; aber es ist im Buche des Schicksals geschrieben, daß du mir voran ins Grab gehen sollst. Du bist ein böser Mensch