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168 Neuntes Kapitel. ist, um sich mit dem Tragen von Lasten durch das Land der Heiden etwas Geld zu verdienen. Was ich an Kraft besitze, gebe ich gern dem Eigentümer der Karawane hin. Es sind uns bittere Dinge geschehen, während Ihr fort wäret. Ich habe einen Bruder ver loren, seitdem ich hierher kam. Ihr müßt wissen, daß trockener Maniok und Wasser für einen Sohn Adams nicht gut ist. Wenn unsere Freunde und Verwandten krank geworden und gestorben sind, so muß sicherlich der Maniok etwas damit zu thun haben. Ich bin, Gott sei Dank, wohl und kräftig, ich habe aber Tage erlebt, an denen ich gern meine Freiheit gegen eine volle Mahlzeit verkauft hätte. Was mir zur Füllung des Magens dienen konnte, habe ich gesucht und habe Tag für Tag davon gelebt, bis — Gott und dem Propheten sei Preis — Ihr zu uns zurückgekommen seid. Aber, Herr, alle Menschen sind nicht gleich, und der Verstand ist nicht bei allen derselbe; vielleicht unterscheiden die weißen Männer sich ebenso sehr voneinander wie wir Schwarzen, denn ich sehe, daß einige reich und andere arm sind, einige die Maschinen im Bauch des Schiffes bedienen und andere auf dem Quarterdeck umher wandeln und befehlen." „Ah, Selim spricht gut!" murmelte beifällig die Menge. Dadurch ermutigt, fuhr Selim nach kurzem Räuspern fort: „Es ist kein Zweifel, daß die Hauptschuld an dem Maniok liegt. Derselbe ist von der bittersten Sorte, und wir alle kennen die Folgen des Essens davon. Wir kennen die Krankheit, das Würgen, das Zittern der Beine, das Schlaffwerden der Muskeln, den Schmerz im Kopse, als ob dieser mit Eisen gefesselt sei und die Erde sich um die Stelle, wo wir stehen, herumdrehe, und die todesähnlichen Ohnmachtsanfälle. Ich sage, wir haben alles das selbst gefühlt und bei andern gesehen. Einige von uns haben sich Mühe gegeben, die Knollen eßbar zu machen, andere waren aber schon zu schwach oder zu träge, um dies zu versuchen oder noch nach dem Leben zu fragen. Eine Zeit lang haben wir geglaubt, daß in jedem unserer Lager nichts als Gräber seien, nur Sterben und Begraben. Wir hatten kein Fleisch, kein Salz, kein Fett und keine Sauce. Aber wenn der Schlund trocken ist, was soll dann die Speise durch den selben hinabtreiben? Wenn der Magen mit Ekel gefüllt ist, braucht man ein klein wenig Sauce oder Fett, um die Speise genießbar zu machen. „Wir wußten, daß wir in wenigen Wochen von hier nach den