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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 11.02.1874
- Erscheinungsdatum
- 1874-02-11
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-187402118
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18740211
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18740211
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1874
-
Monat
1874-02
- Tag 1874-02-11
-
Monat
1874-02
-
Jahr
1874
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 11.02.1874
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Erste Beilage zum Leipziger Tageblatt und Anzeiger. M »r. Mittwoch den 11. Februar. 1874. Vs« na- zum Reichstag. s Der soeben zusammengetreteue Reichstag zeigt nicht n»r in seiner Znsammeusetzuug, so«, dern auch in seiner Leitung ein wesentlich anderes Bild als seine Vorgänger. Ein neuer Präsident nrmmt die Stelle ein, von welcher au» der in hohen Ehren ergraute Stmson bisher die oft so stürmischen Verhandlungen des Parlaments mit olympischer Würde und Ruh« geleitet hat. Vor Kurzem konnte Stmson den Gedenktag seiner 25 jährigen Präfideuteulaushahn begehen: seine Persönlichkeit ist mit der Geschichte unsere» Par. lamentartSmus ans unzertrennliche Weise ver- knüpft. Unübertroffen wird stets der Scharfsinn und die Präctfion, man möchte sagen die Tu. muth seiner Behandlung der verwickeltflen Tompli» cationeu bleiben; sie find die klassischen Muster, an welchen so viele Präsidenten deutscher parla mentarischer Versammlungen sich gebildet haben und die Jeder, der sich zu eine« solchen Amte vorbereitet, in aller Zukunft studiren wird. Ln die Stelle Eimson's tritt Max v. Forckenbeck. Der deutsche Reichstag segelt vor dem Sturm, er bedarf einer festen und sicheren Hand am Steuer; zu der kühlen, besonnene» und realistischen Art Forckenbeck'- darf man das vertranen haben, daß er der gestellten Ausgabe gewachsen fein wird. Die Verständigung zwischen den großen Fractio- neu de» Reichstag« über die Wahl ver vice- Präsidenten ist durch Delrgirte herbeigesührt worden. Da» Cenlrum verzichtete, angesichts dcr Stimmung des Hause«, auf da- Recht, einen Tandidaten au» ferner Mitte in Vorschlag zu bringen, ater e« verlangte da« Recht de» Ein» spruchs gegen die vorgeschlagrnen und proteflirte denn auch gegen die Wahl de» Fürsten Hohenlohe» Schllllngssärst zum ersten vicepräsideuten, weil Derselbe Staal»katholrk ser und eine Anzahl Verbrechen (?!) gegen die ultramontanen Brüder in Bayern aus dem Gewissen habe. Natürlich konnte dieser aus den niedrigsten Verdächtigungen ruhende Einspruch keine Beachtung finden, die Mehrheit des Hause» brharrte vielmehr nun erst recht auf ihre« Tandidaten, und die Herren Frei herr v. Aretin und A Reichensperger fielen durch Die Parteien im ReichSlage setzen sich, soweit man Da» schon jetzt zu übersehen vermag, folgen dermaßen zusammen: I. Teutrifugale. 1) Klerikale, mit Inbegriff der Elsässer 103; 2) Polen 9; 3) Socialisteu 10; 4) Entschiedene Particalarisre« 8; im Ganzen 130. U. Lentripetale. 1) Rattoualliberale 150; 2) Fortschritt 4»; 3) Fretconservative (deutsche Reich-Partei) 30; 4) Trümmer der Übrigen Parteien, lioerale Reicdspartet, Eouservattve rc. 3»; im Ganzen 260. E» stehen sonach, bet Vollzähligkeit des Hause», 26S Stimmen für und 13V gegen die Einheit« destrebungen. E» ist indeß nicht blo» denkbar, sondern sogar wahrscheinlich, daß sich diese 260 Stimmen auch zum Oestere« spalten. Und dann entscheiden sich die Dinge je nach der Stellung, welche die nattoualliderale Part« einuimmt, so daß, wenn Ratioualltbrrale und Fortschritt- Partei mit einander gegen die Anderen stim. «en, sich für di« Erster«» eine Majorität von höchsten» l2 Stimmen herau-steüt, während, wenn die Fortschrittspartei gegen die nationalliberale stimmt und die letztere durch die Kretconserva ttven rc. verstärkt wird, sich für Letztere ein« Majorität von etwa 20 Stimmen ergiebt Stach diesen unter Umständen sehr knappen Majoritäten wird mau begreifen, wie uothwendig es erscheint, daß Jeder aus seine« Platze ist. Wir fürchte« jedoch, daß zur Erreichung dieses Zieles die Slsenbahnsrelkarten wenig de,, trage« werden. Sie werden die verehrttchen Mitglieder leichter fort- als herbeiführen. Ja, es soll schon die Rede davon gewesen sein, gruvd» sätzlich am Sonnabend und Montag keine Sitzung zu halten, damit die Abgeordneten über Sonntag nach Hanse könnten, um nach Hau», Familie, Amt oder Geschäft zu sehen. Hoffentlich wird mau sich auf eine solche Förderung de« Absen tismus nicht eiulaffe«; die traurigen Erfahrungen, welche «an in Sachsen mit dieser „gewüthltchen" Einrichtwug gemacht hat und noch macht, msgru in Berlin zur Warnung dienen! Gespannt ist «a» aus das Verhalten der Ab geordneten aus Elsaß und Lothringen. Den selben ist die schöne Hoffnung, mit einem gewal tigeu Protest gegen die kostrenrmug ihr» Hctmath von Frankreich auszntretev, zu einem guten Theile vernichtet worden, und zwar merkwürdiger Weise durch ihre eigenen Pfaffen. Den Wüh. lereie« der letzter« rst es bekanntlich gelungen, die Mehrheit der Wahlen vollständig zu beern. flussea und dem geliebten Tentrüm eine stattliche Schaar in der Wolle gefärbter llltramoutauer zuzusühren. Diese braven Genossen nun mag das Eentrum nicht ohne Roth tm Reichstage missen, nud so ist denn die von langer Hand vorbereitete Komödie — Eintritt der Elsässer, feierlicher Protest, sofortiges Wiederverkaffeu de« Reichstag« — schmählich gestört worden. Gewissen Anzeichen zufolge scheint den Protest- süchtigen Elsaß»Lothringern durch eine Art Ge- sammtverwahrung der „unterdrückten Nationa litäten" innerhalb des deutschen Reichs zu Hülse gekommen «erd« zu solle». So fordert der „Dzienutk Poznans«" die polnischen Reichstags- ^Abgeordneten auf, sich wie Ein Mann tu Berlin ' »zufinden und tm Verein «tt den Franzosen und Dänen im Reichstage einen Antrag '„aus konstitutionelle Sicherstellung der Rechte aller i« Bereich des deutschen Reiches befindlichen fremden Rationalitäten" zu stellen. Hoffentlich kommen die Herren früh genug zu der Heber- zeugung, daß ihr Plan die Zeit nicht Werth ist, welche «an zur Verathuug seiner Ausführung brauchen würde. vom Abg. Gormemann erwartet mau, er werde auch diesmal wieder einen Antrag aus die Freilassung der Herren Bebel und Liebknecht aus der Strafhaft i» Hubertusburg etubriugeu. Für diesen Antrag würden natürlich die Social- demokrate« stimmen, sonst aber Niemand. Ist ja doch das Schicksal de« Antrags im voraus zu bestimmen, weil die Reichsverfassung genau angiedt, was im vorliegenden Falle möglich ist und waS nicht. Es kann wohl, wenn ein Ab geordneter in der Voruntersuchung sich befindet, die einstweilige Einstellung des Strafverfahren« beschloffen werde»; allein Strafhaft schließt die Vermittlung des Parlaments zu Gunsten de» bereits verhafteten Abgeordneten au«. Die Socialdemokraten konnten a»s den stenogra phischen Berichten des Vorjahres entnehmen, daß der Reichstag scho» einmal sein Votum in der hier angegebenen Richtung abaegeben hat, und es bedarf keiner weiteren Ausführung, daß eia anderer Rechtsspruch de» Hauses gar nicht möglich ist. Die genannte Fraktion wird ihre» Antrag beim Plenum etubriugrn, wenn es ihr nur darauf aukommt, eine lärmende De batte herbeizusühreu; läßt sie sich dagegen aus- schließlich von Rechtlerwägungen letten, so ver zichtet sie auf die Einbringung de- Antrag«. Such die Fraktion der Fortschrittspartei hat die Unterstützung de- Antrag« au« guten Gründen abge lehnt; da aber zwischen dem geltenden Verfassung«, recht und dem Rechte des gewählten Abgeordneten aus Theiluahme an den Berathuugeu sowie mit dem Rechte des Wahlkreises auf seine Vertre tung (?) zur Zeit ein unleugbarer Widerspruch bestehe, so würden Mitglieder der Fortschritts- Partei einen Antrag aus Blenderung der bezüg lichen verfaffungsbestimmung einre chen, der da« Rechte des Reichstag«, über die Freilassung eine« verhafteten Abgeordneten zu entscheiden, auch im Falle der Strafhaft wahren soll. Der vundesrath hat in so umfaffcuder Weise für Material gesorgt, daß der Reichstag unver züglich in die Geschäfte eiutreteu und einige Wochen hinter einander arbeiten kann. Die rechtzeitige Fertigstellung einer genügenden An zahl von Vorlagen war mehrere Sessionen hin- durch ein vergeblicher Wunsch der Abgeordneten; um so mehr befriedigt sie die diesmalige Prompt heit der Retchsregierung. Was die Tommisstonen anlaugt, so bilden, wenn man den Reichstag in sieben gleiche Theile theilt, die Nationalltberaleu 3, die Klerikalen 2, der Fortschritt 1 und die Freiconservativen nebst Zubehör ebenfalls t dieser sieben Theile. ES würden also bei der Wahl einer Lommispon von 14 Mitgliedern Anspruch haben: die Ra tionalltberaleu auf 6 Sitze, die Centrale» aus 4 Sitze, der Fortschritt auf 2 Sitze, die Con- servativen ans 2 Sitze, und bei größeren Tom Missionen in demselben verhältniffe. Landtag. Dresden, S. Februar. Die Zweite Kammer beschäftigte sich in ihrer lctzten Sitzung mit der Berathung des Justizetat«. tlbg. Fahnauer vermochte sich weder mit den nnverhältnißmäßig geringen Ansätzen der Beamtem Wohnungen, noch damit einverstanden zu erkären, daß der Staat den Beamten Wohnungen baue. Der Redner stellte den Antrag, die Wohnungen bei dem Gehalte mit 10 Proceut in Ansatz zu bringen. Abg Petri findet es unwürdig, bei einem Ministergehalte 200 Thlr. zu streichen und bedanert, daß mehrere von chm an die Depu tation überreichte Anträge, insbesondere diejenigen in Betreff der Referendare, der Hülfsreferendare und des Sportelwescns keine Berücksichtigung gesunden. Redner tadelt sodann noch» daß in sehr vielen Gerichtsämtern die Geschäftsstunden nicht pünktlich tnnegehalten würden. Abg. Rtedel findet es ebenfalls nicht in Ordnung, daß die Dienstwohnungen der Beamten noch nach einem veralteten Schema taxirt werden. Abg Kirbach gegen Kahnauer's Antrag, weil derselbe zu Härten führe. Es empfehle sich vielmehr der Antrag, daß die dem Staat gehörenden, bis- hecigeu Dienstwohnungen tm Falle der vertaflung angemessen vnwerthet werden möchten. Abg. Ludwig: Es fei durchaus angemessen, auch bei den G« halten der Minister zu sparen. Sehr stören» wirkten die sogentmtteu Scheuerfeste. und es sei eine Sender ung hierin dringend wünschen«, werth. Sehr entschieden müsse gegen eine etwaige Erhöhung der Sporteln Verwahrung eingelegt werden. Die allgemeine Debatte wurde hieraus geschloffen. Bei der Specialberathung entstand eine leb hafte und ziemlich gereizte Debatte dadurch, daß der Abg Mansfeld bei der Position der Untergerichte aus« Nene die Nichteinhaltung der Geschäftsstunden in den Gerichtsämtern zur Sprach« brachte. Der Justrzminister Abeken bedauerte, »aß mau so allgemewe Beschwerden tu der Kammer erhebe nn» nicht die Angelegenheit »nter Beifügung von Thalsachen zur Keuutniß des Ministeriums gebracht habe Durch solche allgemeine Klagen werde dem Ansehen der Justiz nur geschadet. Abg. Petri fand diese letztere Bemerkung ganz »ugerechtserttat und wahrte der Kammer das Recht, daß sie ihrer Ueberzeuguug zu jeder Zeit Ansdrnck geben könne. Die Theorie de« Justrzminister« mache, wenn ihr Folge ge geben »erde, das ganze vndgetrecht hinfällig. In ähnlicher Weise erklärte» sich die Abgeordneten sahnaner, Krause und Mausfeld gegen »en Minister, welcher abermals in eine sehr schwierige Lage kam, als die Kammer zu dem fetten« des Justizministeriums ohne ständische Genehmigung erfolgten Hauskauf in Plauen im voigtlande gelangte. Eine Anzahl Redner rügten mit energischen Worten diese Eigenthümlichkett, und aus die Be merkung des Ministers Abeken: „Er nehme keinen Anstand auszusprechen, daß die Regierung in Ankunft nie der ständischen Bewilligung vorgreisen wolle; in Planen glaubte sie aber im Interesse des Dienstes so handeln zu müssen, wie gehandelt worden sei", eutgegnete der Abg. Riedel: „der Jnfiizminister scheine in die Fuß- stapfen eines bekannten Vorgängers treten zu wollen, der auch auf ständische Genehmigung kein Gewicht gelegt; er sei nur noch etwas zu jung z« solchen Eigenmächtigkeiten, und die Kammer werde gut thnn, ihm einen Riegel vorzuschieben". Die sämmtlichen Positionen des Etats wurden nach den Vorschlägen der Deputation genehmigt. Angenommen wurde auch folgender Antrag: „die Staatsregierung möge ersucht werden, an der Zahl der tüchtigsten Expedienten eine besondere Claffe von 140 Beamten, mit dem Prä- dicat „Actuare" z« bilden, welchen eine Zulage von je 50 Thlr. zu ihrem derzeitigen Gehalt gewährt werden soll." Tazergeschichtliche Ueberficht. Im Allgemeinen bahnt sich unter den reich«- freundlichen Parteien des Reichstages ein gutes Einvernehmen au, da« insbesondere durch da» Entgegenkommen der natianalliberalen Partei den Geschäften de- Parlaments förderlich zu werden verspricht. Dem entsprechend hat man sich denn auch betreffs der Commission«, wählen bereits dahin geeinigt, daß die national- liberale Partei »/, der Mitgliederzahl stellen wird, die konservative und Fortschritt-Partei je 1/7 und die reichsfeiudlichen Parteien '/i. ES wird dadurch allen Parteien Gelegenheit gegeben, sich schon in den Commissionen zur Geltu ag zu bringen. Anch der sogenannte Seuioreucon- de nt (Deputirte alle, Parteien, welche die Auf- gäbe überkommen, den Verkehr unter den Fraktionen zu vermitteln und Verständigungen avzubahuen) wird wiederhergestellt werden Bor einigen Tagen fand ans de« Tegeler See ein Experiment patt, welches für die Entwickelung nuferer Marine von Bedeutung zu werden verspricht. Mau versuchte nämlich eia Fahr zeug vermittelst «ine- elektromagnetischen Stroms, welcher vom Lande ans aus daS Vteuer desselben wirkte, so z» lenken, daß eine in dem See als Ziel ausgestellte Stange umge fahren wurde. Der versuch sollte die Frage ent scheiden, ob es möglich sei, ein in Bewegung ge setzte« Fahrzeug auch ohne Schiffsbemaunung in einer bestimmten Richtung forizntreiben Bei dem Gebrauche des Torpedos nämlich hatte sich bisher der Uebelstand herausgestellt, daß bemannte Torpedoboote die eigene Bemannung erheblich gefährdeten, die von den Schiffen aus vorgetriebenen unbemannten Torpedoboote aber in der Sicher heit ihrer Bewegung viel zu wünschen übriz ließen. Der obengenannte versuch gelang voll kommen. Das Fahrzeug folgte mit Leichtigkeit der Wirkung de« elektrischen Stromes und da vorgesteckte Ziel wurde erreicht. Die kaiserliche Admiralität beabsichtigt aus diesem versuch «ei tere Folgerungen für die Einrichtung des Tor pedowesens zu ziehen und zunächst auch ans hoher See versuche in dieser Richtung anzusteüe» Ja der „A. A. Z." erbebt sich eine Stimme „au« Süddentschland" für Revisi 0 n des Wahl reglements für den Reichstag. An vielen Orten hat sich gezeigt, daß die Wählerlisten dies mal ein« ganz außer dem verhältniß zum ve- völkeruugszuwachs stehende Zunahme der Stimm- berechtiglen -ausweise», und Hand in Hand damit acht dir Lhatsache, daß in den katholischen Dorf- schasten die Pfarrer darüber entscheiden, wer in die Wahllisten ausgenommen werden soll, daß fie factisch die Wahlhandlung leiten, und daß der erwähnte Zuwachs überall den Ultramontanm zu Gute gekommen ist. Vorgeschlagen wird, daß der Wahlberechtigte entweder in der betreffenden Gemeinde heimathSberechtigt sei und mindestens sett dem 1. Januar des dem Listenabschlnsse vor- ausgegangenen Kalenderjahres sich darin aufge halten haben müsse. Dieser Vorschlag erinnert an eine ähnliche Bestimmung mehrerer Schweizer Cautone. Dort kam man nämlich bei entscheiden- den Wahlen dahinter, daß die Mtamontaoen viele Knechte, welche in Wahlbezirken dtenten, die eine groß« liberale Majorität besaßen, wo also ver Sieg ver Liberalen unbestreitbar war, kurz vor der Wahl von dort nach solchen Wahlbezirke« schickten, in denen die Wage ziemlich gleich stand, der Zuzug also den Ausschlag zu geben vermochte. Gegen dergleichen Wahlfälschungen schützt nur die Forderung eines Jahresauienthalts. Wie der „Wem. Mirknr" vernimmt, hat gleich nach de« Bekrnutwerden der Wer den Bischof von Münster verhängten Psändnug xr Gras von Landsberg-Velen-Temen (erbliches Mitglied des Herrenhauses) von feinem Schlöffe Velen aus an denselben ein Schreiben gerichtet, worin er ihm das'ganze Mobiliar seines aus der Aegidistraße zu Münster belegeuen Hofes zur Verfügung stellt und ihn bittet, dem Hausmeister >ie Gegenstände bezeichnen zu »ollen, welche zum bischöflichen Hofe gebracht werden soMen. „Wo- ern jedoch, heißt es in dem Schreiben Wetter, Se. bischöflichen Gnade« vorzirhen sollten, die ausgepsändete Amtswohnung zu verkästen, werde er sich glücklich schätzen und es sich zur besonde ren Ehre rechnen, wenn der Oberhirt in seinen Hof überfiedelu »nd denselben fortan benutze» wolle. Für beide Fälle sei der Hausmeister be- reit« mit den entsprechenden Weisungen versehen." An die Reise des Kaiser« Franz Joseph nach Petersburg knüpft man in der politischen Welt Oesterreichs je nach den verschiedenen Partei- iandpuncten die eigeuthümlichsten Hoffnungen. Popnlär im eigentlichen Sinne ist diese Reise bei dem Wiener nicht, denn das Land der „nordöst lichen Barbaren" wurde seit so langer Zeit und unter den verschiedensten Systemen zu einem Tod feinde de- echten Oesterreicherthums gestempelt, daß da« FeindschastS-Bewutztsein gegen alles „MoSkowitische" nicht im Handumdrehen zu er sticken war. Der Gtock-Oesterreicher schien von jeher berufen, im Rüsten eine Art von „Erb feind" zu erblicken: Dennoch zieht t« Kreise, welche die Annäherung, die sich an den nordischen Nachbar vollzog, in Rechnung zu ziehen beginnen. Es sind die« jene Politiker, die im innersten Innern noch an den großdentschen Träumen der Schmerling'schen Sera hangen und die in einer intimeren Verbindung mit Petersburg ein ange messene« Gegengewicht gegen die preußisch-deutsche Freundschaft erblicken, freilich ohne zu bedenken, daß der Kaiserreise nach Petersburg erst die Kalserbegegnuug in Berlin vorangehen mußte, und daß vte erster« ohne die letztere schwerlich heute in Frage kommen würde. Deshalb hat es auch in jener politischen Region einigermaßen un angenehm berührt, daß der Deutsche Kronprinz sich bewogen fand, seinen Aufenthalt am russischen Hose bis über die Dauer des österreichischen Be such« auszudehnen. Man hätte so gern einige Eifersucht erwecken mögen über die neu sich ent- spinnende Intimität zwischen Wien und Peters burg ohne die Anwesenheit oder Dazwischenkunst eines Dritten. Kurz, man findet nur selten eine unbefangene und rückhaltlose Würdigung der po- utischen Umwälzung, welche sich in der Thatsache dieses Wtnteransfinge« des Kaisers Franz Joseph deutlich genug kundgtebt. In der Schweiz dauert der kirchliche Tonflict fort Im Jnra ist abermals ein Dorf «egen Ruhest-rnnge« mit Einqnartierung belegt worden. In Zürich wurde strafrechtliche Untersuchung gegen einen abgesetzten katholischen Geistlichen emgeleitet, welcher sich trotzdem civil- rechtliche Functionen anmaßte. Die „R. Z. Ztg." bemerkt dazu: „Ueberall bei diesen Ultramonlanen und Jrsniten dieselbe Erscheinung des Hohu- fprechens der Staatsgesetze. Die freisinnigen Katholiken der Stadt Luzern werden sich im Lause dieses Monat« als eigene Kirchengemeinve constituiren. „Los von Rom" ist bei allen den kenden Katholiken der Wahlspruch geworden. Wie aus Pari« gemeldet wird, «endet ein Theil der dortigen Presse seine Aufmerksamkeit bereits der bevorstehenden Reise des Kaisers von Oesteüreich nach St. Petersburg zu. Da« „Journal de« D-bats" begrüßt den Besuch de« Kaisers von Oesterreich am russischen Hose alü ein Zeichen der vollzogenen Aussöhnung zwischen Rußland und Oesterreich, welche eine Vertagung der orientalischen Frage auf unbestimmte Zeit zur Folge haben müsse und eine starke Garantie für die Aufrechterhaltuna de« Friedens enthalte. Der Artikel sncht darauf anszusühren, wie vor» 1 heilhaft eine gegen Rußland versöhnlich« Politik für Oesterreich sowohl betreff« der inneren, wie der auswärtigen Verhältnisse sei, und warnt gleichzeitig die öffentliche Meinung Frankreichs, sich anläßlich der Reise des Kaisers gefährlichen Illusionen und irrige« Vorstellungen hinzugeben. Durch das gute Einvernehmen zwischen Rußland und Oesterreich könne in den Beziehungen de- letzteren zn Deutschland in keiner Weise eine Aenderung eintreten und ersteres sei jetzt weniger als jemals geneigt, sich von Preußen zu trennrn, von welchem dasselbe losretßen zu wollen Oester reich weit entfernt sei. wiener Blätter lassen sich aus London etwas voreilig telegraphtrea, daß der englisch« Pre mier nach seinem zu gewärttgeuden Rücktritt eine Reise in da- Allsland antreten «nd sich vom öffentlichen Leben »urückziehe« werde. Dem gegen über betont „Obserder", daß Mr. Gladstove sich über die Eventualität seines Rücktritts sügllch nicht eher schlüssig machen könne, als bi« das definitive Resultat der Parlamentswahlen vor liege. Heber das londoner Katholikeu-Mee.'- ting wird audwarngen Blättern von dort ge- meldet: Nach hteher gelangten authentischen Nachrichten war das Londoner Katholiken Mce- tiug »»meist von de« untersten volksclaffen und vorwiegend von Irländern besucht. Man führte eine heftige Sprache und beklagt« die „veriolgmig" und die beabsichtigte „Vernichtung" der katholischen Kirche. Franzosen, welche dem Meeting bei wohnten, lh-tten sich besonder« durch Anregung einer katholischen Liga «. dgl. hervor, M«z
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