2 Vorwort. Wissenschaften für Jahrhunderte. Er ist ein Weltrefor mator gewesen, der nicht bloß ganze Gebiete der For schung erschloß, der nicht bloß nmgestaltend auf die Grundsätze der Forschung einwirkle, dessen gewaltiger Geist auch umgestaltend in die ganze Weltanschauung der Menschheit eingriff. Was er für die Wissenschaft Großes gewirkt, wie er alle Gebiete der Natur, die Tiefen des Meeres, wie die grenzenlosen Räume des Himmels denkend durchschaut, wie er, das regellose Chaos vereinzelter Erfahrungen der Vor- und Mitwelt ordnend, das gesammte Erdenleben erkundete und die Naturwissen schaft in neue, ungekannte Bahnen wies, wie er auf dem festen Boden der Thatsachen und der Erfahrung eine Gesammtwissenschaft der Natur gründete, wie sie kaum die griechischen Naturphilosophen in ihrem Reiche der Ideen geträumt hatten, — das Alles ist in den Annalen der Wissenschaft verzeichnet. Aber kein Griffel vermag noch niederzuschreiben, was Humb oldt für den Geist der Menschheit geschaffen. Eine neue Weltanschauung ging von ihm aus. Indem er den Geist unter der Decke der Erscheinungen begreifen lehrte, indem er die Natur in der Einheit ihrer Kräfte und Gesetze, als ein harmo nisches, belebtes Ganze erfassen und in dem ausgeschlage- nen Buche des Lebens das Einzelne und Kleine durch das Ganze und Große erklären lehrte, indem er die gähnende Kluft zwischen Diesseits und Jenseits, zwischen Natur und Geist schloß, rief er Umwandlungen in den Begriffen und Lebensrichtungen der Menschen hervor, die ihn zu einem Reformator der Welt machten. Durch seine denkende, Herz und Gemüth erfassende Natur- und Weltanschauung lenkte er dm Blick des Gebildeten auf das Naturleben, erhob er die Naturwissenschaft zu einer Grundlage sittlicher Bildung, zu einem Hebel geistiger Befreiung des Volks, erösfnete er im Umgang mit der Natur einen neuen Quell des Genusses und der Freude, der selbst in der Wüste gesellschaftlicher oder staatlicher Trostlosigkeit nicht verstecht. SohatAlexandervonHumboldt eine Volksthüm-