58 Abschied von Cumana. verließ. Cumana und sein staubiger Boden standen noch in seinem Greisenalter weit öfter vor seinem inneren Auge, als alle Wunder der Kordilleren. Es war ja das erste Land, das er unter einem Himmelsstrich betreten, nach dem er sich seit seiner frühesten Jugend gesehnt hatte. Hier empfand er zuerst den Zauber der Tropennatur, der so mächtig ist, daß mau schon nach einem Aufenthalt weniger Monate lange Jahre verweilt zu haben meint. Wie schön auch der Golf von Neapel, wie köstlich die Landschaft zwischen Tivoli und dem See von Nenn, wie großartig die Scenerie der Hochalpen und Pyrenäen sein mag, Aehnliches vermag kein Land der gemäßigten Zonen zu wirken, weil der Physiognomie ihrer Pflanzenwelt die Contraste fehlen. Unter den Tropen erscheint Alles neu und wunderbar in der Natur, im freien Feld, wie im Waldesdickicht. „Je neuer und mächtiger aber", sagt Humboldt, „die Eindrücke sind, desto mehr löschen sie frühere Eindrücke aus, und durch die Stärke erhalten sie den Anschein der Zeitdauer. Ich berufe mich auf Alle, die mit mehr Sinn für die Schönheiten der Natur als für die Reize des geselligen Lebens lange in der heißen Zone gelebt haben. Das erste Land, das ihr Fuß be treten, wie theuer und denkwürdig bleibt es ihnen ihr Leben lang! Oft und bis ins höchste Alter regt sich in ihnen ein dunkles Sehnsuchtsgefühl, es noch einmal zu sehen." Wie mancher reisende Naturforscher unserer Zeit hat diese Worte Humboldt's bestätigt! Statt daheim der wohlverdienten Ruhe zu Pflegen, verzehrten sie sich in unruhvoller Sehnsucht, bis sie doch endlich zurück kehrten in das Land ihrer Träume, um sich dort eine Hei- math oder — noch öfter — ein Grab zu bereiten! Düster und schwermüthig erschien unsern Reisenden