56 Das erste Erdbeben. Nach ihrer Rückkehr von jenem genußreichen Aus fluge in die Missionen finden wir unsere Reisenden wieder in Cumana. Hier erlitten sie einen Unfall, der sehr ver- hängnißvoll werden konnte. Auf einem Spaziergange am Strande wurden sie von einem Zambo, d. h. einem Mischling der Neger- und Jndianerrace, meuchlings über fallen. Humboldt wich dem gewaltigen Keulenschlage aus, aber Bonpland wurde davon zu Boden gestreckt. Zum Glück war die Wirkung des Schlages durch den Hut geschwächt worden, und Bonpland erholte sich bald wieder, obwohl er noch Monate lang die Folgen spürte. Wenige Tage später, am 4. November, machte Hum boldt die erste Bekanntschaft mit einem Erdbeben. So sehr sich auch Humboldt spater selbst an starke Erschütte rungen des Bodens gewöhnte, so daß er in Quito gar nicht mehr daran dachte, in der Nacht aufznstehen, wenn ein unterirdisches Gebrüll vom Pichincha her einen Stoß ankündigte, so machte doch dieses erste, an sich unbedeu tende Erdbeben, dessen Schrecken freilich durch ein gleich zeitig tobendes Gewitter von tropischer Heftigkeit erhöht wurden, einen tiefen Eindruck auf ihn. Das Aufregende sieht er weniger in der Besorgniß vor Gefahr als in der Eigenthümlichkeit der Empfindung. „Bon Kindheit auf", sagt er, „prägen sich unserer Vorstellung gewisse Con- traste ein; das Wasser gilt uns für ein bewegliches Ele ment, die Erde für eine unbewegliche träge Masse. Diese Begriffe sind das Produkt der täglichen Erfahrung und hängen mit allen unseren Sinneseindrücken zusammen. Läßt sich ein Erdstoß spüren, wankt die Erde in ihren alten Grundfesten, die wie für unerschütterlich gehalten, so ist eine langjährige Täuschung in einem Augenblick zerstört. Es ist, als erwache man, aber es ist kein an-