54 Der Wald der Tropen. schaft bestimmen allein die wildwachsenden Pflanzen, die durch ihre Masse noch die angebauten Gewächse beherr schen, und wenn in unfern gemäßigten Landstrichen es be sonders der Getreidebau ist, der dem urbaren Lande einen so trübselig eintönigen Anstrich giebt, so erhält sich in der heißen Zone selbst bei zunehmender Bevölkerung die Großartigkeit der Pflanzengestalten, das Gepräge einer jung fräulichen, ungezähmten Natur, wodurch diese so unend lich anziehend und malerisch wird. Es war. die erste Bekanntschaft, die Humboldt auf diesem Ausfluge mit dem Walde der Tropen machte, und sinnverwirrend war sein Eindruck. „Wenn ein euro päischer Reisender", sagt er, „zum ersten Male die Wäl der Südamerikas betritt, so hat er ein ganz unerwartetes Naturbild vor sich. Alles, was er sieht, erinnert nur ganz entfernt an die Schilderungen, welche berühmte Schriftsteller an den Usern des Missisippi, in Florida und in anderen gemäßigten Ländern der Neuen Welt entworfen haben. Bei jedem Schritt fühlt er, daß er sich nicht an den Grenzen der heißen Zone, sondern mitten darin befindet, nicht auf einer der antillischen In seln, sondern auf einem gewaltigen Kontinent, wo Alles riesenhaft ist, Berge, Strome und Pflanzenmassen. Hat er Sinn für landschaftliche Schönheit, so weiß er sich von seinen mannigfaltigen Empfindungen kaum Rechen schaft zu geben. Er weiß nicht zu sagen, was inehr sein Staunen erregt, die peinliche Stille der Einsamkeit oder die Schönheit der einzelnen Gestalten und ihre Kontraste, oder die Kraft und Fülle des vegetabilischen Lebens. Es ist, als hätte der mit Gewächsen überladene Boden gar nicht Raum genug zu ihrer Entwicklung. Ueberall ver stecken sich die Baumstämme hinter einem grünen Tep-