50 Der erste Anblick der Tropenlandschaft. Es war am Morgen des 10. Juli 1799, als die Leiden Freunde den Boden Venezuela's oder vielmehr Neu-Andalusiens, wie jenes Land als spanische Provinz damals hieß, betraten. Ihre Blicke hingen an den Gruppen von Cocosbäumen, die das Ufer des Rio Man- zanares säumten, und deren über 60 Fuß hohe Stämme die Landschaft beherrschten. Die Ebene vor ihnen war bedeckt mit Cassia- und Capparisbüschen und den gleich den Pinien Italiens ihre Zweige schirmartig ansbreiten den baumartigen Mimosen. Die gefiederten Blätter der Palmen hoben sich von einem Himmelsblau ab, das keine Spur von Dunst trübte. Die Sonne stieg rasch zum Zeuith auf; ein blendendes Licht war in der Luft ver breitet und lag auf den weißlichen Hügeln mit zerstreu ten cylindrischen Cactus und auf dem ewig ruhigen Meere, dessen Ufer Pelikane, Reiher und Flamingos be völkerten. Das glänzende Tageslicht, die Kraft der Pflanzenfarben, die Gestalten der Gewächse, das bunte Gefieder der Vögel, Alles trug den großartigen Stempel der tropische» Natur. Beim Statthalter fanden sie die freundlichste Auf nahme und waren überrascht, in ihm einen Mann zu finden, der sich für Naturwissenschaften interessirte und von Stickstoff, Eisenoxyd und Hygrometer zu sprechen wußte. Nachdem sie die Stadt und Festung Cumana in Augenschein genommen hatten, deren wichtigster Schutz in lebenden Mauern von verwachsenen stachlichten Cactus und von Crocodilen belebten Wassergräben bestand, brach ten sie ihre Instrumente in Ordnung, um beobachtend und forschend die Umgegend zu durchstreifen. Das Erste, was ihre Aufmerksamkeit in Anspruch nahm, war natür lich der vulkanische Boden, auf dem sie hier weilten.