46 Die rechte Kunst der Naturschilderung. Messungen und Untersuchungen der Luft, derWiudströmung, des Himmelsblaues beschäftigte er sich; er hatte auch ein Auge und ein Herz für die Größe der Natur und die Fülle ihrer malerischen Reize. Er empfindet sogar so tief, daß er die Unmöglichkeit erkennt, solche Empfindun gen zu schildern. „Wenn ein Reisender", sagt er, „die hohen Berggipfel unseres Erdballs, die Katarakten der großen Ströme, die gewundenen Thäler der Anden zu beschreiben hat, so läuft er Gefahr, den Leser durch den eintönigen Ausdruck seiner Bewunderung zu ermüden. Am besten lernt mau die Physiognomie einer Landschaft kennen, wenn man die einzelnen Züge auffaßt, sie unter einander vergleicht und so den Quellen der Genüsse nach geht, die uns das große Naturgemäße bietet." Diese Regel hat Humboldt bei allen seinen Naturschilderungen befolgt, und das ist es, was sie so anziehend und so tief ergreifend macht. Ehe Humboldt die Insel Teneriffa verließ, für die ihm ^>er Blokade wegen nur wenige Tage gestattet waren, widmete er, wie er es auch später auf seiner ganzen Reise nie unterließ, auch den Bewohnern, ihren Sitten und ihrer Sprache, ihrer Kultur und ihren gesellschaft lichen und bürgerlichen Einrichtungen, eingehende Auf merksamkeit. Für ihn steht der Mensch nicht außer halb der Natur, ist er das Erzeugniß aller der mannig faltigen Naturbediugungen, die in Boden, Klima, Land schaft ruhen, und darum zugleich der treueste Spiegel der Natur. Mit tiefem Schmerz erfüllte ihn darum die Erinnerung an jenes Hirtenvolk der Guanchen, das zur Zeit der Entdeckung diese Insel bewohnte und dann durch die Gräuel der Civilisation im Bunde mit der Pest so spurlos von dem Erdboden vertilgt wurde, daß