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148 Kleinliche Splitterrichterei nach dem Tode. wie wenig er auch geneigt sein mag, von diesem Gott zu schwatzen! Wer so, wie Humboldt, ein langes Leben von drei Menschenaltern in rastloser Thätigkeit an das eine Ziel setzt, die Natur zu erforschen und ihre Erkennt nis der Herrschaft des Menschen dienstbar zu machen, und wer sich für dieses Ziel nicht bloß die gewöhnlichen Genüsse und Bequemlichkeiten des Lebens versagt, son dern auch Gesundheit und Leben auf's Spiel setzt und Vermögen, Würden lind Ehren und das Glück des Fa milienlebens opfert: der trägt auch den Gott der Liebe in seinem Herzen, der ist ein Christ von seltener, sitt licher Hoheit trotz aller achselzuckenden Bedenken der Kirche. Alle diese Verunglimpfungen, die Humboldt ja selbst vorausgesehen, kümmern uns jedoch wenig. Aber erbärmlich und empörend ist jene kleinliche Splitterrichterei, die von denen geübt wird, die an den Strahlen dieser Sonne sich wärmten, so lange sie schien, und die nun emsig nach Flecken suchen, um sie leugnen zu dürfen. Halblaute Stimmen waren es zuerst, die ihn einen Höfling, einen selbstgefälligen Schwätzer nannten. Aber das Geflüster wurde zu lautem Geschrei, als Humboldt's Briefwechsel mit Varnhagen veröffentlicht wurde. Einen Undankbaren nannte man ihn, einen boshaften Spötter, einen niedri gen Schmeichler, der um die Gunst eines tief unter ihm stehenden, wie Varnhagen, buhlte, weil dieser vielleicht bestimmt war, sein Biograph zu werden. Und was Anderes liest man denn aus jenen Briefen, als daß Humboldt ein Mensch war mit Leidenschaften und Schwächen wie wir, aber ein so edler, so liebenswürdi ger, so ganzer Mensch, wie es wenige vor ihm gegeben! Mit welcher Bescheidenheit äußerte er sich, dieser