Volltext Seite (XML)
138 Der berühmte Greis auf den Lehrbänken der Jugend. des aus selbstgeschaffener Finsterniß erwachten Volkes zu antworten. Kein Forscher hielt sich seitdem mehr hoch genug, um nicht auch Lehrer zu werden, keine Forschung galt mehr zu heilig, um nicht Gemeingut des Volkes zu werden. Die Wissenschaft der Natur, wie sie Humboldt aufzufassen gelehrt hatte, als eines durch innere Kräfte belebten und bewegten Ganzen, wurde der Mittel punkt des geistigen Lebens und Humboldt selbst der un bestrittene geistige Herrscher seines Jahrhunderts. Thälig und arbeitsam wie sein ganzes Leben war auch sein Alter. Ruhe war ihm nicht vergönnt, war es auch nicht, wonach dieser gewaltige Geist verlangte. „Nicht fossil zu werden," wie er sich ausdrückte, so lange er sich noch bewege, und fest an dem Glauben zu halten, „daß die Nalur ihren^Fluch gehängt an das Stillstehen," — das war es, wonach er am meisten strebte. Darum verschmähte er es auch nicht, noch in seinem hohen Alter zu lernen. Oft sah man ihn, namentlich in den dreißiger Jahren, auf den Lehrbänken der Jugend in den Hör sälen Böckh's, Karl Nitter's, Mitscherlich's, um, wie er scherzend den Studenten zu sagen pflegte, nachzuholen, was er in der Jugend versäumt hätte. Ger» zeigte er später mit einem gewissen Selbstgefühl die Hefte, die er, wie er sagte, von den Mithörenden verführt, nach alter vaterländischer Sitte nachgeschrieben. Es ist eine wunderbare geistige Frische, die sich dieser Greis bewahrt hat. Noch im spätesten Alter hat er für Alles ein Interesse, für das Fernliegendste ein Verständ- niß und ein treffendes Urtheil. Nicht überführender konnte das Erziehungssystem, wie es durch Eichhorn und namentlich durch Raumer in Preußen gestaltet war, verurtheilt werden, als es von ihm in seinem 86. Jahre geschah. Eine dem