114 DieSchranken zwischen Wissenschastu.Volk sind niedergeworfen. der so Wunderbares erlebt und eine neue Welt entdeckt hatte. Aber weit über jene Zeit hinaus reicht die Bedeutung jener Vorträge Humboldts. Sie bildeten die Veran lassung und die Grundlage jenes Werkes, welches er am späten Abend seines vielbewegten Lebens dem deutschen Publikum übergab, eines Werkes, dessen Bild in unbe stimmten Umrissen fast ein halbes Jahrhundert lang ihm vor der Seele schwebte und das er selbst das Werk seines Lebens nannte, seines „Kosmos". Und wie er in diesem „Kosmos" gleichsam seiner Zeit ein Ehren denkmal und einen Grenzstein aufgerichtet, an welchen man noch in späten Tagen erkennen wird, wie weit unser Wissen gereicht und wie die herrschenden Ansichten in den verschiedensten Zweigen der Naturwissenschaft be schaffen gewesen, so hat dieses Werk auch zur Ausführung gebracht, was jene Vorlesungen bereits einleiteten, es hat die Schranken niedergeworfen, welche zwischen der ge lehrten Wissenschaft und dem Volke bestanden, es hat den Anstoß zu einer naturwissenschaftlichen Volksliteratnr ^ gegeben, wie sie bisher nie für möglich gehalten, und wie sie gegenwärtig nicht bloß in Deutschland und Eng land und Frankreich, sondern selbst in Italien und Spa nien, in Rußland, in Serbien und Kroatien blüht. Es war, als ob man einem übervollen Strom die Schleusen geöffnet hätte, daß er nun Segen und Frucht bringend seine Fluthen über die Niederungen ergießen könnte. Auch dies war ein Werk seines Lebens. Er war im Dienste der Wissenschaft thätig gewesen, wie Wenige; aber all sein Forschen und Wissen hatte ihn nicht zu stolzer Ueberhebung geführt, sondern nur dazu gedient, die Ueberzeugung zu befestigen, daß es der höchste Beruf