84 Zweiter Abschnitt. Das Wetter wurde immer wonniger und die Gegendimmer lieblicher. Schmäler und schmäler wurde der Streifen der Niederung, näher und näher traten sich Meer und Gebirge. Die Distanz nach Lenkoran war bis auf kaum fünf Meilen gesunken. Nahe schon dem Meere, in dem Molokanerdorfe Nikolajewsk wurden die Pferde gewechselt. Einige schwarze Milane flogen trotz der vorgerückten Jahreszeit hier noch. Wiederum ändert sich hier mit dem Boden auch die ihn bekleidende Pflanzenwelt. Wir sind nun hart am Meere, an dem Beginn des grossen Kisil-agatsch-Busens, welcher ebensowol das Eldorado für jegliches Wassergeflügel, an gefangen vom Schwan und Pelikan bis zum Zwergtaucher und Pygmaeen-Cormoran, als auch eben deshalb das Eldo rado für den Jäger ist. Hier überwintern die Flamingos auf den Muschelbänken im flachen Wasser, w'eil es ihnen an der untern Wolga zu kalt ist. Hier schlägt der Würg falke in der Luft die feiste Stockente und wagt sich ge- legentlich sogar an die Zwerggans, und hier kreisen, nach gehaltener Mahlzeit, die alten, weissschwänzigen Seeadler ganz so in den Schraubenlinien, als seien sie Edle ihres Geschlechts. In Kumbaschinsk wurden zum letzten mal die Pferde gewechselt. Auf dem festen Sand-Muschelboden der niedrigen Zwergdünen, welche streckenweise mit Djongeln be standen, führt die Strasse direct gegen Süden; links unmittel bar das Meer, rechts die als „Morzi“ sich Umziehenden liohr- sümpfe mit offenen Wasserblänken. Weiter landeinwärts die licht gestellten Eichen in der Ebene und dahinter das ansteigende Gebirge, überall waldbedeckt und so nahe tre tend, dass man deutlich die Laubfärbungen unterscheiden kann. Bald erscheinen gegen Süden die Pyramidenpappeln von Lenkoran, und in kurzer Zeit erreicht man dann das Städtchen, welches seit einigen Jahren vom hohen Festungs wall befreit wurde und dadurch sehr gewonnen hat.