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flüchten können. Die Weltereignisse, auch wenn sie von höchster Wichtigkeit waren, machten keinen Eindruck auf das von der Angst gepeinigte Volk. In Frankreich verloren viele Menschen vor der angekündigten Ueberschwemmung den Verstand. Karl V. verlangte Gutachten von seinen Rathen und Gelehrten, und je näher der Tag heranrückte, in desto traurigere Zustände versank das Volk. Als der Tag nun nahe war, flohen ganze Familien auf Berge, und der Bürgermeister von Wittenberg ließ sich eine ziem liche Menge Bier, um nicht bei der Sündfluth zu verdürsten, auf den obern Boden seines Hauses bringen. Der 25. Februar 1524 brach an und verlief ohne die geringste Ueberschwem mung, hatte sogar einen freundlichen Character, und die Welt war von ihren großen Zweifeln und ihrer noch größern Angst befreit. Durch eine solche Niederlage hätte man meinen sollen, wäre Stöffler in der öffentlichen Meinung vernichtet. Dem ist aber nicht also, denn Gott hat das Flehen um Rettung und die Buße der Menschen erhört, und in seiner Allmacht liegt es auch, das Drohendste abzuwenden. — Dieses sagt auch Stöffler in der Schrift gegen Tan- stetter, daß alles bei Gott stehe, der strafen und die angedrohten Strafgerichte gegen die Menschheit, wenn sie sich bessert, zurückziehen, in den Lauf der Gestirne eingreifen und sagen kann, so und nicht anders ist mein Wille. — Zwei dunkle Seiten beiStöffler sind in den Capiteln IV und V zur Sprache gebracht. Der damalige Stand der Wissenschaften läßt diese schwache Seite Stösflers einigermaßen entschuldigen, denn auch andere große Geister wie Kepler haben unter demselben Banne gelebt und geschrieben. Am auffallendsten ist es aber, daß der Zeit genosse Stöfflers, Copernicus, den Weissagungen desselben gegenüber ein so tiefes Stillschweigen beobachtet hat. Aber auch der Canonicus Copernicus hat seine Ansicht, daß die Sonne der Mittelpunkt der Welt und die Erde ein Planet sey, nur als eine Hypothese dargestellt, zu der ihn die damals herrschenden Begriffe zwangen. VI. Stöffler als Mathematiker und Astronom. Euklid und Archimedes brachten die Geometrie der Griechen auf ihren Höhe punkt, während die Römer für mathematische Studien nur wenig Sinn an den Tag legten. Die Astronomie soll anno 2300 v. Chr. in China cultivirt worden seyn. Schon damals hatte man erkannt, daß das Sonnenjahr 365'/, Tag habe. Die alexandrinische Schule zur Zeit der Ptolemäer kannte ein besseres und vollständigeres Verzeichniß der Fixsterne. Der Alexandriner Ptolemäus hat ein vollständiges System der Astronomie hinterlasscn. An dieses hingen sich die Araber sklavisch. Erst im 15. Jahrhundert traten aber Männer auf, welche die Wissenschaft wesentlich förderten. Zu diesen zählen Purbach, gest. 1461, seine Schüler Regiomontanus, gest. 1476, und unser Stöffler. 3*