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28 Medicin ausübten, weil sie besorgten, daß eine derartige Beschäftigung die Geistlichkeit ihren kirchlichen Obliegenheiten entfremde und ihnen in der Achtung des Volkes schade. Die unaufhörliche Erneuerung des Verbotes auf fast allen Concilien beweist, wie wenig dasselbe befolgt wurde und auch heute noch befolgt wird. Seine Uebertretung war mit der Excumunication belegt, und letztere Strafe wurde »luvri temporalis oausa" an gesetzt. — Zuerst hatte die Mönchsheilkunde den hippokratischen Character, später wurde derselbe durch die Araber verdrängt und es trat jene Stagnation in der Heil kunde ein, welche Jahrhunderte lang die Entwicklung derselben in Fesseln schlug. Der Grundriß des Klosters St. Gallen, der aus dem 9. Jahrhunderte stammt und als Muster eines klösterlichen Bauwesens aus der carolingischen Zeit anzusehcn ist, hat ein Krankenhaus, eine Krankenkirche, ein Bad und einen Garten für heilkräftige Kräuter eingezeichnet. Das Kloster Hirschau, von dem berühmten Abte Wilhelm von 1083—91 neu eingerichtet, hatte gleichfalls ein eigenes Krankenhaus, und einen Ort, wo die Arzneien bereitet wurden. In der Mitte des Krankenhauses war ein bedeckter Ort, mit einer Oeffnung in der Mitte, wo man den Kranken zur Ader ließ '). St. Gallen und Hirschau hatten für Süddeutschland mustergiltige Einrichtungen. Wie wir oben gesehen, hat Stöfs ler im Kloster Blaubeuren seine theologische Erziehung erhalten, und dort mußte er mit der Mönchsheilkunde, die damals noch nicht abgestorben war, vertraut werden. Er kannte wohl die Schrift aus dem 9. Jahrhun dert »äs ininutlons ZunKninis", und den Hortulus des Abtes Walafrid Strabo von Reichenau mit seinen 444 Hexametern über 23 Arzneipflanzen, der vor 850 erschien. In der Bibliothek in Blaubeuren waren nach einer Aufzeichnung von Tübingius: Russe äs Hsrlii8, und ksZulns Xkaoi lipistolarium msäisiuns 1ibsIIu8. Wie Stöff- ler sich der Physica allseitig mit großem Eifer hingab, so that er dieses sicherlich auch in der Heilkunde, denn nur daraus ist es zu erklären, wie er in ein sonst mathema tisch-astronomisches Werk, in seinen römischen Calender, nicht weniger als 5 Capitel, das XI.—XV., von der Heilkunde aufnehmen konnte. Im Capitel XIII sagt Stöffler: »Es soll auch Niemandachten, daß ich meine Sichel wolle ausstrecken in einen fremden Schnitt, welcher meinen Herren, den Aerzten und nicht mir befohlen ist, denen ich dieß gebe zu bessern und zu strafen." Gleichwohl aber handelt Stöffler die in der damaligen Medicin wichtigsten Gegenstände mit ungewöhnlicher Breite ab. Wenn Stöffler auch zugibt, daß er ein ihm nicht ge hörendes wissenschaftliches Gebiet betreten, so sagte er sich, daß nur er als Astronom und Astrolog den Einfluß der himmlischen Gestirne aus die Gesundheit und Krankheit der Menschen richtig darstellen könne. Stöffler sagt, daß in Arzneien die fleißige Aufmerkung des Gestirnes vielen Nutzen hat, denn die Kunst der Arznei empfängt aus der Kunst der Astronomie große Kraft und Hilfe, was nicht zu ver wundern ist, denn diese zwei sind mit einem einzigen Band umschlossen. (XIII). Wenn der Mond durch die XII Zeichen (des Thierkreises) geht, so ist die Wirkung und die Gewalt desselben auf den irdischen Körper sehr mächtig. Beim Löwen sagt Stöffler'): „Der Löw, ein königlich Zeichen, ist heiß und trocken, feuriger Natur, orientisch, regiert Choleram, das ist die feurige Complexion. Sein Geschmack ist bitter. 1) Kerker, Wilhelm der Selige. Mb. 1863, p. 259. 2) Großer römischer Calender: Capitel XI.