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toris war, wie wir oben gesehen, ein Verehrer SLöffler s; sein amtlicher Lehrauftrag galt aber der Theologie und Philosophie, als welcher er zu den berühmtesten Gegnern von Duns Scotus zählte. 1502 hatte er nach widrigen Schicksalen Tübingen ver lassen, und war 1504 im Kloster Keisersberg in der Schweiz gestorben. 1511 hat Stöfsler Justingen verlassen und war in Tübingen als Professor in die Facultät der Artisten (philosophische Facultät) eingetreten. Diese Facultät stand den sogenannten obern Facultäten nach und wurde von der theologischen und medicinischen beaufsichtigt. Auf formale Disciplin und Disputationsübungen wurde ein sehr großes Gewicht ge legt. Im Ganzen hatte diese Facultät mehr den Character eines jetzigen oberen Gym nasiums, denn es konnten auch Knaben von 13 Jahren inscribirt werden. Der Sitz dieser Facultät war vorzugsweise die Bursa oder Contubernium. — Der große Nutzen, den die mathematischen Wissenschaften als Vorbildung für alle Wissenschaften unwider leglich haben, indem ihre Lehren jeden Zweifel und jede Ungewißheit ausschließen, wurde schon in alter Zeit erkannt, und darum mußte ein hervorragender Mann für den mathematischen Unterricht in Tübingen gesucht und berufen werden. Stöfsler ist also der erste öffentlich berufene Lehrer der Mathematik und Astronomie in Tübingen. Unten in der Bursa war ein großes Auditorium, in welchem Stöfsler wohl seine Vorlesungen gehalten hat. An der Wand des Saales war eingeschrieben '): lneumittt Kopkias Ktuäiis iüo maxima turba, ^xtior sxoolsuZ iuäo msars vias, rtzvti oalloiu liaoo nam <!vrta viatioa prasstuut: <2uamvi8 inäootus ick patiatur itor. st Die Vorträge von Stöfsler mußten von den Philosophen besucht werden, und daß dieses von diesen und Andern sehr gerne geschah, hiesür liegen bestimmte Zeugnisse vor. — Außer dem wissenschaftlichen Inhalte der Vorträge Stöfflers muß auch die Art des Vortrages selbst in hohem Maße angezogen haben. Stöfsler hatte einen schwungvollen und tiefeindringenden Vortrag, und auch in seinen Schriften, wo er sich direct an den Leser wendet, war er im Lateinischen wie im Deutschen sehr ge wandt und fein, und verband damit eine tiefe Religiosität. Als Beispiel hiesür möge das erste Capitel seines römischen deutschen Calenders dienen, den er mit der An rufung göttlicher Hilfe einleitet und also spricht^): „O Schöpfer sichtbarer und unsichtbarer Welt, der Du durch Deine grundlose Gütigkeit, Weisheit, Gerechtigkeit und Barmherzigkeit mässigest die ganze Menge der Welt und handreichest alle Werke der Natnr, thust nützlich verhängen, daß die unteren Dinge in Ordnung Nachfolgen dem Obersten und die menschlichen Werke werden ordent lich gelegt durch Veränderung der hohen Dinge Sonn und Monds, Dich ruf ich an, Dich bett ich an, Dir sag ich Ehre und Gloria, Dir sprech ich Lobgesang, Dich bitt ich demüthiglich, Du wollest mich Johannen» Stöfsler, ein Ritter der Kirchen Jesu Christi Deines Sohnes, mit einem Theil Deiner Gutheit gnädiglich bewegen, daß ich die Rechnung der himmlischen Läufe, sie ordentlich zusetze, dazu ich allen meinen Fleiß ankehre, möge seeliglich enden und vollbringen zu Nutz Deiner Kirche. So ich doch 1) Zeller, Tübingen, 235. 2) Die Orthographie Stösflers erscheint hier als verbessert, Wort und Satzbildung sind aber vollständig geblieben.