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Man kann sich in die Seelenstimmung Stösflers hineindenken: sein fürstlicher Schutzherr ohne Aussicht auf Wiederkehr und nicht mehr in der Lage, ihm die gegebene Bürgschaft für sein Reservat zu halten! Ueberdieß kam das Land in fremde Hände, ungewiß wie es ihm bei dem Wechsel der Herrscher ergehen würde. In Wirklichkeit erlebte Stöffler Ulrichs Rückkehr nicht mehr, denn diese erfolgte 1534, während Stöffler schon 1531 starb. Trotz dieser Verhältnisse wurde Stöffler 1522 Rector der Universität, und eine Bekanntmachung sagt, „daß der gepriesene und erfahrene Meister Johannes Stöffler Justingensis täglich lese." Mit Ulrichs Vertreibung hatte auch Hans Caspar von Bubenhofen seine Stel lung und sein Einkommen verloren. Seine Tochter hatte den Anführer der Feinde Ulrichs, den Ritter Carl Winzerer geheirathet; ein Sohn von Bubenhofen war Pfarrer in Jusüngen geworden; er selbst hatte seine Herrschaften Gamertingen rc. verkaufen und sich in Administration eines Ausschusses der Ritter begeben müssen. Diese Ver hältnisse waren für den 73jährigen Stöffler kaum zu ertragen, denn er konnte sein Reservat von 90 Gulden nirgends mehr bekommen. In dieser großen Noth schrieb Stöffler an den König Ferdinand, den damaligen Besitzer Würtembergs, „um Gottes und der Gerechtigkeit willen ihm seine Forderung als um Leibesnahrung nach Recht und Gerechtigkeit zu verschaffen." Die Verhandlungen über diese schlimmste Materie in Stösflers Leben dauerten von 1524—1526 '). König Ferdinand war 1525 selbst in Tübingen und hatte auf dem Schlosse die mechanischen Werke Stöff- lers bewundert, gleichwohl war aber 1526 noch kein Bescheid über Stösflers ein dringlichstes Bitten erfolgt; er hatte also wie viele andere deutsche Gelehrte den bit- tern Kelch der Armuth zu trinken. Ein Ahnherr von Stöffler, Simon von Stöffeln, hatte 1456 dem Hospital in Tübingen ein Vermächtniß vermacht, in wel chem er sagt, die Schenkung bezwecke, daß damit die Armen gespeist und die sechs Werke der Barmherzigkeit erfüllt werden. Welche Ironie des Schicksals, daß ein Stammgenosse von Simon von Stöffeln, so bald nach dem Vermächtniß für die Armen, sein Brod erbetteln mußte! Unter diesen Sorgen und Kämpfen um die Existenz kam das Jahr 1530, in welchem eine heftige Pest in Würtemberg und Tübingen ausbrach. Wie schon früher im gleichen Fall, so wurde auch dießmal die Universität in verschiedene Landstädte verlegt. Die philosophische Facultät, welche nach ihren wissenschaftlichen Anschauungen damals in zwei Richtungen, die Nominalisten und Realisten zerfiel, wurde die erstere nach Neuenbürg, die letztere nach Blaubeuren verlegt. Stöffler gehörte zu den Realisten, welche sich den Namen der Adler beigelegt hatten, während die Andern sich Pfauen nannten. In seinem 78. Lebensjahr siedelte nun Stöffler von Tübingen nach Blaubcuren über, in eine Stadt, in welcher er wahrscheinlich geboren, jedenfalls seine Jugend zugebracht und sich seine Bildung verschafft hatte. — In dieser Stadt starb auch Stöffler an der Pest, denn auf seinem Bilde in der Aula in Tübingen steht: »Obiit Llabnino 1531, 16. kbr., llora. 1 nmt. Vixit annos 78, äios 69, üvra.8 19. 1) Die Akten des Staatsarchives, welche in den Beilagen 6—15 abgedruckt sind, sowie die Beilage 16 geben Näheres über die Vorgänge an, und es wird deßhalb ans dieselben verwiesen. 2*