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(z)um Grient blicken die Menschen des Abendlandes mit einer un klaren Fülle von Gefühlen. Der Politiker denkt an die ungelösten Schwierigkeiten der orientalischen Frage, der Dichter träumt von orien talischer Poesie, in der die Sterne noch ganz anders blitzen als am deutschen Himmel, der Künstler ahnt in weiter östlicher Ferne Lichter und Farben, die die Heimat nicht bietet, der Menschenfreund weiß im Morgenland Nöte so blutig und gräulich wie kein Elend zu Hause, der Ehrist und der Jude möchten den Jordan gern sehen und das wunderbelebte, ihnen von Kindheit vertraut gewordene heilige Land. Jeder sucht etwas, was sie aber suchen, ist so verschieden, daß es kaum möglich sein kann, allen ihren Interessen zugleich zu folgen, besonders wenn in sechs kurzen Wochen der Weg von Genua über Athen, Konstantinopel, Damaskus, Palästina, Kairo und Alexandrien wieder nach Genua gemacht werden soll. Von allem gewinnt man bei einer solchen Reise etwas, man findet Naturschönheit, Kunst, Völkerkunde, Religionseindrücke und politische Erkenntnisse, aber freilich, es ist in jeder Hinsicht nur etwas, nicht alles. Wer darum die Feder ansetzt, um von seiner Grientreise zu schreiben, kann mit nichts anderem beginnen, als mit der Bitte an den Leser, niemals zu vergessen, daß es nicht ein Grientsorscher ist, dessen Worte er vor sich hat, sondern ein Reisender, der oft gerade dann von einem Grte Abschied nehmen mußte, wenn er eben erst anfing, den Grt zu verstehen. Auch gute vorangehende Studien können diesen Mangel nicht ersetzen. Eine Reise beschreibung bleibt Stückwerk. Soll sie aber deshalb nicht geschrieben werden? Viele Tausende können niemals ins Morgenland fahren, auch können sie keine tiefen und schweren Guellenwerke lesen. Sie sind zufrieden, Einleitung.