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der von allem religiösen und politischen streit sreien Freude an der Landschaft. Wem soll man eigentlich die Landschaften beschreiben? Dem, der sie sah, oder dem, der sie nicht sah? Dem ersteren weckt man Erinnerungen, die er in sich trägt, aber was kann man dem letzteren bieten? Alle Worte sind nicht imstande, einen einzigen persönlichen Blick auf den Bos porus, den Libanon oder den Nil zu ersetzen. Mühsam muß der Abend länder, der immer nördlich der Alpen blieb, seine Phantasie anstrengen, um aus den Worten der Orientfahrer sich wirkliches Leben heraus zuträumen. Etwas können ihm dabei Bilder helfen. Deshalb soll auch unsere Reise nicht ohne Bilder beschrieben werden. Freilich Künstler von Fach sind es nicht, die dieses Mal malten. Zwei Theologen, die auf der Reise Freundschaft schlossen, haben Stift und Feder angesetzt. Es kann sein, daß sie sich von der Kunstkritik müssen meistern lassen, aber eins haben sie doch für sich: in ihren Bildern ist eigene persönliche Erinnerung lebendig. Der Zeichner der großen Bilder ist Pfarrer R. Jul. Hartmann aus Dornhan in Württemberg, ein Mann, der sonst Schwarzwaldtannen und Kalkwände des schwäbischen Jura zeichnet, und der Zeichner der kleineren Bilder und Skizzen ist der Verfasser der nachfolgenden Zeilen. Die Kunst ist eine weite Sache und braucht allerlei Diener, auch solche, die ihr nur gelegentlich, aber von Herzen ihren Zoll darbringcn. 4- * 4- Zn klarer Mondnacht fuhren wir über den Gotthard. Schon manches Mal hatten wir diese Strecke gesehen. Dieses Mal schien uns der lange Tunnel die Pforte zum Lande der alten Kultur überhaupt zu sein. Wir hatten viel vor uns: Italien, Griechenland, Byzanz, Syrien, Palästina, Ägypten — viel Weltgeschichte, viel Tod und Leben! Unwillkürlich dachten wir an ein Wort Viktor von Hehns, des leider zu wenig gelesenen Kultur historikers, der die Alpen als Grenze zwischen Europa und der Wüste Sahara bezeichnet. Es war gut, sich eines solchen Wortes zu erinnern, ehe man in die Gebiete der waldlosen Kahlheit kam. Wahrhaftig, wer 1* Unsere Bilder.