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betrachten wir die Länder um das Mittelmeer, das mit seinen vielen Ver engungen und Erweiterungen zuerst die Völker dreier Welten zu gemein samem Leben vereinte: da sehen wir das Leben zuerst aufgehn im äußersten Osten, in Palästina als ernster erhabener Gottesdienst, bei den seefahrenden Phöniken als unternehmender Handelsgeist, bei den dumpfen Aegyptcrn als räthselhaftcr Trieb zu seltsamen Bauten — von dort, verkünden die Sagen der weiter westwärts gelegenen Griechen, kam ihnen der Same der Bildung, der dort zu fröhlichem Götterdienst und schöner Dichtkunst er blühte; aber ihr schönes Reich ging unter, es ging die Herrschaft weiter nach Westen, zur italischen Halbinsel, zum ehernen Rom, das, so recht in der Mitte des Mittelmcers gelegen, alle Länder des Mittelmeeres ringsum mit eherner Schwertesgcwalt zusammenschlug; auch später, nachdem Italien den nordischen Germanen erlegen, übt die Siebcnhügelstadt als Oberherrin der Christenheit eine geistige Weltherrschaft aus, nicht minder erheben sich andere Städte dieser Halbinsel, erheben sich Venedig und Genua zu den Handelsherrinncn der Welt. Aber seit drei Jahrhunderten ist diese Han- » dclsherrschaft weiter gewandert nach Westen, zum stolzen Hispanien, das so recht an der Grenzschcide zwischen dem geschlossenen Mittelmeer und dem offenen atlantischen Ocean gelegen, sich zuerst von jenem bisherigen Uebungsplatz hinanswagte auf die Wafferwüstcn des weiten grausen Meeres, zum alten indischen Wunderland und zum fernen Westen der neuen Welt, das sich ein Reich schuf, in dessen Grenzen die Sonne nicht unterging. Es erliegt nun der schöne aber entnervende Süden dem rauhen aber kräftigen Norden — aber auch in ihm sehen wir denselben Zug von Osten nach Westen. Denn da sehen wir, wenn wir von dem nur vorübergehenden hunnischen Barbarenreich im äußersten Osten Europas absehen, die Welt herrschaft zunächst im östlichen Theil Mittclenropa's, in unscrm Vaterland, das so recht im Herzen des Weltthcils gelegen, ein halbes Jahrtausend hin durch als Inhaber des heiligen römischen Reichs nach allen Seiten hin mächtiglich waltet, dessen Ostsecstädte mit Venedig und Genua hinsichtlich der Handclshcrrschaft wetteifern, ja das auch, nachdem seine Kaiscrherrlich- kcit begraben, in der Buchdruckcrkunst, in der Reformation, in der Wissen schaft ein neues geistiges Regiment beginnt. Aber seitdem es den Glau- bcnSzwicspalt im dreißigjährigen Krieg anSgckämpft und darob mit Trüm mern bedeckt und zum Tod ermattet da lag: da geht von ihm die Herrschaft weiter nach Westen, der Handel geht von den deutschen Städten der ge-