Volltext Seite (XML)
2 bisherigen Angehörigen drüben eine bessere Stätte zu bereiten und sich selbst damit bei ihnen ein liebendes Andenken zu sichern; dann möchte man wohl sage», es sei eine neue Völkerwanderung. Ja wohl, eine Völkerwanderung — gleichsam eine Fortsetzung der alten Wanderung, die da seit uralten Zeiten geht mit der Sonne von Osten nach Westen, und damit dann nicht mehr bloß ein zufälliges Ereigniß, sondern ein wesentliches Glied in der höhern Ordnung der Dinge. Denn gehen wir etwas zurück über die Ge genwart in die Vergangenheit unseres Volks, woher es gekommen, woher ihm gekommen der Glaube, ja weiter zu den Völkern der Vorzeit, die der einst die Welt beherrscht, ja steigen wir herauf zu den Anfängen der Mensch heit : alle llcberlieferung und heilige Sage der Völker weist uns hin nach Osten, nach dem Morgenland, nach Asien. Wie das alte Asien so reckt liegt in der Mitte der vier Welttheile, wie's seine Halbinseln und Inselketten nack allen hin ansstreckt, wie's seine Lebcnsströme nach allen vier Himmels gegenden ausscntet: so ist eö denn auch der Welttheil, von dem Alles aus geht — und wie es denn selber nach Westen hin in jeder Hinsicht schmaler und schlanker unk gegliederter wird, bis daß denn unser zwar weit kleinerer, aber ebenmäßiger und harmonischer gestalteter und in weit mehr Glieder sich ausstrcckendcr Welttheil hervorspringt: so geht in ibm das Leben von Osten nach Westen, von Asien nach Europa. In Asten suchen die Sagen der Völker die Wiege der Menschheit, sei's im Thal Kaschmir, sei's am Ur sprung des Euphrat und Tigris, sei's in jenem Paradies zwischen den Quellen des Gihon und Sihon; von dort her haben zu verschiedene» Zeiten menschlicher Erinnerung sich die Völkerströme nach Westen ergossen, zum Theil freilich zerstörend, wie Hunnen, Mongolen, Türken, hauptsächlich aber um Reiche höherer geistiger Bildung zu stiften, wie Perser, Germanen, Araber; von dort her haben wir so manches Gewächs erhalten, so zur Speisung und Tränkung und Kleidung des Leibes dient; von dort ist end lich, da der Mensch nicht allein vom Brote lebt, sonder» von jedem Wort, das aus dem Munde Gottes geht, das geistige Brot gekommen, ist doch dreimal, in Moses, in Jesus Christus, i» Muhamcd von dort der geistige Gottesdienst ausgegangen. So sehen wir diesen Gang im Vcrhältniß -Asiens zu Europa, des Morgenlands zum Abendland. Aber auch in unserm eigenen Europa sehen wir den Gang von Oste» nach Westen. Den» betrachten wir zunächst den schönen sonnigen Süden, in dem zuerst das Le ben erwachte, als im rauhen Norden noch Alles dumpf und starr da lag,