KAPITEL VII. Die Appennin fliisse. Die Wiege unserer Civilisation liat an Flüssen gestanden. W'enn wir die Elemente der heutigen Bildung bis zu ihrem erkennbaren Ur sprung zurück verfolgen, gelangen wir an die Ufer von Nil, Euphrat und Tigris, Indus und Ganges, Hoangho und Jangtsekiang. Nicht als oh die Flüsse die Cultur ins Leben gerufen hätten: in Amerika ist die Cultur im Hochland erwachsen, hat das herrlichste Flufssystem der Welt nicht das geringste zur Blüte menschlicher Gesittung beigetragen. Aller Orten und von Anbeginn an ist das Menschengeschlecht eine fortschreitende Bahn gewandelt. Aber wol begreift man, wie in jenen gesegneten Tiefebenen die Culturarbeit unendlich beschleunigt werden konnte. Sie gestatteten eine aufserordentliche Verdichtung der Be völkerung, forderten zu durchgeführter Arbeitstheilung auf, begünstig ten die Errichtung eines grofsen Staatswesens, weckten mit ihren Ueberschwemmungen und Wasserstrafsen den Scharfsinn und die Er findungsgabe der Anwohner. Derart vollzog sich die gründlichste Ab kehr vom natürlichen Dasein des Jägers und Hirten, ward die Herr schaft des Geistes auf immer gefestigt. Mit schwerer Einbufse jedoch: seiner angeborenen Freiheit ging der Mensch hier ganz verlustig, ward dem unerbittlichen Vorurtheil der Kasten, dem Joch einer scheufslichen gottverblendeten Autokratie überantwortet. Die potamische Phase in der Entwicklung der Alten Welt ward sodann von der thalassischen abgelöst. Das Mittelmeer trat an die Stelle der Ströme, Gebirgsländer an die Stelle der Tiefebenen, Städte an die Stelle der Landstaaten, Republiken an die Stelle der Despotien. Zur See hat keines jener Culturreiche seinen Namen durch Grofsthaten verewigt: die See ver langt beherzte Männer, Kühnheit mufs sich mit Klugheit paaren dem der sich ihren Wogen anvertrauen will, die See ist jederzeit eine hohe Schule der Völkerfreiheit gewesen. Von den Phoeniziern begründet,