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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 13.07.1874
- Erscheinungsdatum
- 1874-07-13
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-187407132
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18740713
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18740713
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1874
-
Monat
1874-07
- Tag 1874-07-13
-
Monat
1874-07
-
Jahr
1874
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 13.07.1874
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1814. Erste Beilage zum Leipziger Tageblatt und Anzeiger. M 184, Montag den 13. Juli. Zur braunschweigischen Smcession. Langsam und unsichtbar gehen gewisse physische Wandlungen vor sich, und wenn sie endlich Allen offenbar zu Tage treten, erscheinen sie als Plötz liches, Unerwartetes. Solche Wandlungen zeigen sich am häufigsten auf politischem Gebiete, nament lich wenn man ru Zeiten großer Veränderungen von der theoretischen Politik zur Praxis der That- sachen und des wirklichen Lebens übergeht. Welche Erfahrungen haben wir nicht Alle seit 25 Jahren gemacht und wie sehr hat sich der politische Stand punkt eines Jeden seitdem verändert? Mit welcher Leidenschaft wurde z. B. das allgenieine Stiuimrccht erkämpft; beute denkt man ganz anders. Das Deutsche Reich hat uns bei seiner Geburt das allgemeine Stimmrecht mitgebracht, dasselbe hat aber die hochfligenden Erwartungen zum geringsten Theile erfüllt, ja in manchenTheilen des Reiches hat cs ein schlechteres Resultat ge liefert, als alle anderen längst vcrurtheilten Wahl systeme ; man erinnere sich nur der letzten Reichs- tagSwahlen in Bayern, wo von 48 Abgeordneten 32 Ultramontane gewählt wurden. Als daS Natiönalitätsprincip entdeckt war, verfocht nian mit der äußersten Lebhaftigkeit den Grundsatz, daß jeder Stamm, jede Provinz eines Staates das Recht der Selbstbestimmung -haben müsse, d. h. man schrieb einzelnen Provinzen Opsterreichs, Frankreichs, Rußlands, Dänemarks :c., weil sic eine andere Sprache sprachen als der Hauptstamm, das Recht zu, sich durch eine einfache Abstimmung von den betreffenden Staaten zu trennen. Wer denkt noch an die Vertheidigung dieser Theorie! DaS schlagendste Beispiel, wie praktisch wir ge worden sind und wie wenig wir uns noch an rein theoretische Axiome halten, giebt uns die „Bossischc Zeitung," welche soeben die Braunschweigische Erbfolgefrage bespricht und dabei zu dem Schluffe gelangt, man könne die Frage nur auf Grund der allgemeinen Reichs interessen» nicht aber nach Maßgabe der Satzungen des alten deutschen Füestenrechts entscheiden. „Wir sind, schreibt das Blatt, nicht der Meinung, daß zunächst die braunschweigische Bevölkerung befragt werden muß, obgleich wir recht gut wissen, daß die altbewährte dcutschnationale Strömung, die in derselben lange herrscht und die selbst in den kritischsten Lagen für die preußische Führung sich ausgesprochen hat, den Ausschlag geben würde gegen die welfische Erbfolge: aber wir möchten auch nicht das geringste Präjudiz dafür geschaffen sehen, daß in ähnlichen Fällen, wo die Gesinnung der Bevölkerung mit den Interessen des qesamm- ten Reiches in Widerspruch steht, jener eine Aus schlag gebende Bedeutung zu Theil werden könnte." Niemand wird der „Vossischen Zeitung" den Vor wurf machen, daß sie ihre Fahne gewechselt habe, und doch stebt dieser Ausspruch im Gegensatz zu früheren Ansichten desselben Blattes in Bezug auf ähnliche Verhältnisse. Man kann daraus aber ersehen, welchen Nutzen die harten Kämpfe deö letzten Vierteljahrhunderts uns gebracht. Wir haben gelernt, unS von dem Glauben an Phrasen frei zu machen, wir rechnen nur noch mit that- sächlichen Verhältnissen und lasten uns durch Redensarten nicht mehr blenden. Es wird nur Wenige geben, die den obigen Worten der „Vossischen Zeitung" nicht aus vollem Herzen zustimmen. Tagesgeschichtliche Aeberlicht. Sc. Majestät der deutsche Kaiser wollte am Sonntag Nachmittag 3^/, Uhr in München eintreffen und um 5 Uhr die Reise nach Salz burg fortsetzen. Nach der neuesten aus Hohen schwangau eingetroffenen Bestimmung des Königs hatten sich sämmtliche königliche Prinzen zum Empfange des deutschen Kaisers auf dem Bahn hofe einzusindcu. Der König hat auch den Kaiser eingeladen, an einem Familiendiner Theil zu nehmen, das im Bahnhofssalon stattfinden soll. Außer für drei deutsche Zeitungen ist der von den Carlisten erschossene Haupt mann Schmidt auch Kriegsberichterstatter der „Neuen Freien Presse" in Wien gewesen, welche vor einigen Tagen, als die ersten Andeutungen der Gefangennahme des unglücklichen Hauptmanns eintrafen, sofort auf der deutschen Botschaft um möglichst schnelles Einschreiten ersuchte. Freilich war eS damals zu einer diplomatischen Intervention schon längst zu spät. Man hält in Wien die Behauptung, daß Don Carlos den Aufschub der Execution be sohlen habe, für vollkommen unwahr, denn die Befehle des Prätendenten seien von seinen Leuten immer gewissenhaft befolgt worden. In der Auf regung über den Vorfall schreibt das österreichische Blatt: „Das Blut deS ermordeten Schmidt schreit um Rache, die ganze gebildete Welt wird sich mit Abscheu von den Carlisten abwenden" und richtet sodann an die deutsche Regierung die Frage: „Was hätte wobl das England Palmcrstons ge- than, wenn ein englischer Bürger in dieser Weise getkdtet worden wäre?" — Da die Carlisten außer icdcr völkerrechtlicher Beziehung zu anderen Mächten stehen, so wird es freilich schwer werben, die gewünschten praktischen Folgerungen aus dieser Frage zu ziehen. Auf die in der Provinz Preußen vorgekommcnen tumultuarischen Bewegungen wird durcb eine amtliche Bekanntmachung in, Amtsbezirke Ouednau einige« kickst geworfen. Diese Bekannt machung bringt nachstehende Bestimmung der Krcis- ordnung wiederholt zur Kenntmß: l) daß die Ortsvorsteher die Polizei im Na men des Kön igs verwalten; 2) daß die Ortsvorsteher von der Staatsregierung durch den Oberpräsidenten er nannt werden; 3) daß der Landrath die Aussicht über die Polizeiverwaltung übt und 4) als Or gan der Staatsregierung die gesammte Polizei- waltung im Kreise, Amtsbezirken, Gemeinden, Gutsbezirken überwache. Man sieht daraus, daß die Landleute eine gänzlich falsche Meinung von der Gewalt der AmtSvvrsteher gehabt und ge glaubt haben, sie seien außerhalb des Bereichs der Staatsgewalt gebracht worden. Eine andere Bekanntmachung des Oberpräsidenten läßt durchblicken, daß Einflüsse von außerhalb stehenden Personen, nämlich von Feudalen, die Aufregung verursacht haben. Dem „Schwäbischen Merkur" wird anS Hei delberg mitget heilt, daß der Geheimrath Bluntschli, Professor Holzmann und Stadtpsarrer Hoenig die leitende Stellung im Protestan ten-Verein nicdergelcgt haben und in Folge besten die Verlegung der Centralleitung von Hei delberg zu erwarten ist. Mac-Mabon ist aus dem besten Wege. Er hat offenbar seinen Entschluß gefaßt, ist der Armee für den schlimmsten Fall sicher und wird deshalb nicht darauf warten, bis die Nationalversammlung für gut findet, seine Wünsäze bezüglich der Organi sationsgesetze zu erfüllen, sondern octroyirt ihr dieselben einfach. „Seine Minister" haben den ihnen gewordenen Auftrag bereit« erfüllt und der constitutioncllen Commission die in der Botschaft angekündigten „Punste" eröffnet. ES sind Ab änderungen im Wahlmodus, Einsetzung einer Pairskammcr mit zum Theil von der Regierung ernannten Mitgliedern usid das Recht der Auflösung. Der Nationalversammlung bleibt Nichts übrig, als Ja! zu sagen oder sich nach Hause schicken zu lasten. — Welcher Wechsel in 24 Stunden! Dieselbe Versammlung, welche Mac Mahon ein Vertrauensvotum verweigerte , sieht sich von ihm in die Alternative gedrängt, zu thun was er will oder auf die süße Last des Daseins zu ver zichten. Wenn man will. so begeht Mac Mahon einen Staatsstreich. Aber Niemand wird ihm denselben übel nehmen, am wenigsten das fran zösische Volk, welches der dreijährigen unfrucht baren Aufregung, unter welcher jeder wirthschaft- liche Aufschwung gehemmt und Niemand des andern TageS sicher war, herzlich müde ist. Eigent lich wäre dazu schon vor acht Monaten genügende Veranlassung gewesen, als sich Thiers durch das Votum der Versammlung zu einem feigen Rück züge bewogen fand. Indessen wollen wir gern glauben, daß er es nur deshalb nicht wagte, weil er auf die Armee nicht mit vollster «Sicherheit 'rechnen zu dürfen glaubte. Darin hat MacMayon offenbar einen großen Vorsprung. Der gloriose Besiegte von Wörth und Sedan erfreut sich nun einmal in der französischen Armee des Rufs eines modernen Bayard. d. h. wohl eines Ritters ohne Furcht vor dem Gesetz und ohne Tadel vor dem Codex der Ehre — diese Eigenschaften scheinen in der französischen Armee nicht so häusig vorzu kommen — und sein Appell an die Armee wird eintretcnden Falls sicher die gewünschte Wirkung üben. Aus Stadt und Land. * Leipzig, 12. Juli. Im Dresdner Journal sind heute zwei Aktenstücke abgedruckt, welche sich auf die Leipziger Amtsblattfrage und im Besonderen auf die Verpflichtung des hiesigen Handelsgerichts bezüglich der Veröffentlichung seiner amtlichen Bekanntmachungen durch das Leipziger Tageblatt' beziehen. T)iese Actenstücke sind in vielfacher Beziehung von Interesse, doch müssen wir eine nähere Betrachtung ihres Inhalts für morgen »ersparen. "Leipzig, 12. Juli. Der Professor vr. Adolf Held in Bonn, einer der sogenannten Katheder- socialisten, macht am Schluffe einer Reihe von Artikeln, die er in den „Chemnitzer Nachrichten" unter dem Titel „zur Beurtheilung der Socialdemokrate« in Sachsen" veröffent licht hat, folgende Bemerkung: „Was ich gesehen habe, brachte in mir die Ucberzeugunq hervor, daß die Verhältnisse der sächsischen' Arbeiter im Ganzen schlecht sind. Der niedrige Stand der Löhne ist nicht das eigentliche Ueoel, denn diese sind in manchen Industriezweigen ziemlich gut und könnten in den andern bei besserer Leistung höher sein. Das Nebel besteht darin, daß die Masse verwahrlost ist. Die gegen wärtige Socialdcmokratie in Sachsen ist wine großartige Erscheinung, die man bewundern könnte. Sie ist vielmehr eine klägliche und be- mitleidenswerthe Verwirrung, die, wenn ihr nicht Einhalt geschieht, sehr gefährlich ivcrden kann. Aber wenn man sie in keiner Weise bewundern kann, so kann man sich auch gar nicht darüber verwundern, daß sie besteht. Nicht eine angebo rene Schlechtigkeit de« Arbeiters, auch nicht eine rasfinirte Kunst der Agitatoren allein ist ihr letzter Grund — dieser besteht darin, daß die Besitzenden nicht hoch genug denken und nicht energisch und opferwillig handeln, um sie zu untergraben. Nebenbei ist auch zuzugcstehen, daß die Regie rung zu lange die socialen Dinge ghen ließ wie sie gingen und über der Vermehrung der Pro duction die Schäden in der socialen Lage vergaß. Es ist schmerzlich, eine Schuld eingeffchcn zu müssen, auch wenn diese keine persönliche, sondern eine Gcsammtschuld ist — aber es ist zugleich tröstlich zu wissen, daß der Grund eines Nebels und damit das Nebel selbst zu heben ist. wenn auch nur langsam und allmälia. Die Besitzen den dürfen nicht nur für ihre Easie rechnen, sie müssen für das Wohl der Gesammtheit denken und handeln." "Leipzig, 12. Juli. Von auswärts sind mehr fach von Parteigenossen Anfragen an uns gerichtet worden, warum der Re ich «verein für Sach sen und dessen in der Landesversammlung zu Döbeln gewählter Ausschuß so wenig von sich hören lassen. Wir können darauf auf Grund unserer Informationen nur milthcilen, daß von dem Vorstand alles Nöthigc vorbereitet worden ist und noch vorbereitet wird, um mit Eintritt etwas kühlerer Witterung sofort in allen Tbeilen des Landes die größtmögliche Agitation zu ent wickeln. Man hat auch geglaubt, die Ernte erst stattsindcn lassen zu sollen, che mit der Agitation zu beginnen sei. Bei der Staatöregierung ist seitens de« Vorstandes um Dispensation von der Bestimmung des VercinsgesetzeS, wonach die ein zelnen Localvereine nicht unter einander und mit denc Centralvorstand in Verbindung treten dürfen, nachgesucht worden und man darf wohl hoffen, daß die Regierung bei der patriotischen Tendenz des Reichsvereins diesem Gesuch Berücksichtigung zu Theil werden läßt. Geschäftsführer des Reichsvereins für Sachsen ist der Rechtsanwalt I)r. Hans Blum. — Nächsten Dienstag findet im Franzius- Thcatcr in Gohlis eine Aufführung der „Räuber" statt, die allseitigeS Interesse zu er wecken recht geeignet ist. Es wirken nämlich in der Vorstellung, welche zum Benefiz des verdien ten Schauspielers Herrn Becker in Scene geht, vier Gäste in den vier männlichen Hauptrollen mit. Herr Reseniann wird der Darsteller de« Franz sein, Herr Arthur Fischer, der, ein ehe maliger Schüler deS Herrn Obcrrcgisseur Grans, voriges Jabr in Halle seine theatralische Carriere mit Glück begonnen, hat aus Gefälligkeit für den Beneficianten die schwierige Rolle des Karl Moor übernommen. Mit liebenswürdiger Bereitwillig keit haben sich ferner zwei jüngere Kräfte des so rühmlich bekannt gewordenen Meininger Hos- theatcrS^ die Herren Grube und Zimmermmann, welche sich aus der Durchreise hier befinden, zur Darstellung des Spieaelberg und Schweizer ge winnen lassem — Zugleich wollen wir erwähnen, daß am 20. Juli ebenfalls im Franzius - Theater um Besten cheü Herrn Schauspielers Fritzsche eist'S „Käthchen von Heilbronn" unter gütiger Mitwirkung des Fräulein Gottschalk vom Stadttheater als Säthcbcn und des Herrn Fischer als Wetter von Strahl zur Ausführung gelan gen wird. * Leipzig, 12. Juli. Aus dem benachbarten Neuschönefeld wird uns gemeldet, daß daselbst am Freitag Nachmittag in dem Eisengießerei- Etablissement der Herren Schöne u. Sohn ein bedeutender Gelddiebstahl verübt worden ist. Es wurde aus einem eisernen Geldschrank die Summe von über 3000 Thalcr entwendet. Wegen Verdachts der Thäterschaft soll ein in dem ge dachten Etablissement beschäftigter Buchhalter in. Lause de« gestrigen TageS verhaftet worden sein. ) Leipzig, 11. Juli. Gestern Nachmittag r/,6 Uhr traf mit der Anhalter Bahn der königl. preußische Staatsminister Delbrück, Mitglied des Staatsraths, von Berlin hier ein und reiste ohne Aufenthalt mittelst der Bayerischen Bahn weiter nach Lindau. — Der heutige Extra rüg der Magdeburger Bahn, früh 5 Uhr nach Thale, war ungleich stärker besetzt als dis früheren. Es fuhren näm lich 60 Passagiere von hier aus ab gegen 35 resp. 29 Personen an den beiden letztvergangcne« Sonntagen. — Bei einem gestern Abend hier abgehalteuen Richtschmäuse entziveiteu sich ein Maurergeselle und ein Handarbeiter in bedenklicher Weise. Erstercr ergriff nämlich in der Hitze ein Bier seidel als Waffe und schlug dasselbe auf dem Kopfe seines Gegners in Stücken. Der Hand arbeiter wurde dadurch so erheblich verwundet, daß ihm ärztlicher Beistand geleistet »erden mußte. * Burgstabt, 11 Juli. Hier ist vor einigen Tagen der Weber Gottfried Kirbach von der GenSdarmerie verhaftet worden, weil auf ihm der dringende Verdacht lastet, daß er am 6. Juli versucht hat, das auf dem hiesigen Schießplätze stehende Schützenrelt, in dem sich etwa 500 Menschen aushielten, in Brand zu stecken. * Naunhof, 11. Juli. Am 7. Juli entstand in der zum Rittergut Polen; gehörigen Waldung ein Wald brand, der indessen, che er größeren Umfang gewinnen konnte, von herbeigeeilten Leuten gedämpft wurde. — In Halle ist am Sonnabend der Gebäude- complex zwischen Küstners und der Neumühle nebst der Schneidemühle, der Schleifmühle und der Hoffmann'schen Mostrichfabrik abgebrannt. In der Nacht vorher war in Trotha die che mische Fabrik von Engelke und Krause ein Opfer der Flammen geworden. Leipzigs Schutzmann-Institut. Es ist nunmehr ein halbes Jahr vergangen, nt eine Reorganisation unserer Executiv-Polizei orgenommen wurde, die damals als hochwichtige jraae daS Interesse der gemeinsamen Einwohner- ckast in Anspruch nahm. ^ --- Hatten früher etwa diener die Ausgabe gehabt, in einer Stadt von l l 2,000 Einwohnern, ausschließlich des ungeheuren Meßbesuchs, die öffentliche Ruhe und Ordnung aufrecht zu erhalten, und damit ein Amt ver waltet, das ihnen selten die verdiente Anerken nung verschaffte, so ließ man an deren Stelle ein militairisch unisormirteS und mit blanker Waffe ausgerüstetes CorpS eintreten, welches in seinem »eugeworbcnen aus hundert Mann be stehenden Elemente nur aus gedienten Militairs gebildet wurde. Sonderbar mußte es erscheinen, daß viele Leute der Schutzmannschaft, obschon sie ihre Schuldig keit nach besten Kräften und Gewissen that und sich unverdrossen wieder in das streng diS- ciplinarischc, schwierige Verhältniß, dem sie zum Theil seit Jahren entfremdet gewesen, hineinfand, anfänglich keine besondere Sym pathien entgegenbrachten. Man benutzte gern und ohne vorher zu prüfen Gelegenheiten, um das neue Institut zu discreditiren, und 'eine gewisse Presse half hier und dort dazu beitragen. Noch mehr mußte es aber auffallen, daß gleich anfangs auch in maßgebenden Kreisen ein kühles Verhalten gegen dasselbe Platz gegriffen hatte, was sich nicht nnr in allerhand Nörgeleien, sondern auch in kleinlichen Entziehungen bemerkbar machte. Die Folge war, daß die Schutzleute, welche aus lauter altgcdienten, mit mehreren Kriegsdeco- rationen versehenen Soldaten und größten- theils ehemaligen Unlerofsscieren bestanden, Leute, welche dem österreichischen und französischen Kriege beigewohnt, so viele Strapazen ertragen und dem Tode hundertfach ins Auge geschaut hatten, mißmuthig und von Groll erfüllt wurden. Sie waren allerdings gezwungen gewesen, zur Verbesserung ihrer Eristenz den Dienst als Po lizei-Schutzmänner mit kärglich zugemessenem Ge halte anzunehmen; aber sie Alle brachten auch vortreffliche Zeugnisse ihres moralischen und mannhaften Verhaltens mit, und um so tiefer mußte es sie kränken, daß man sie zurücksetztc. Selbst als einige aus Unkcnntniß begangene un bedeutende Unzulässigkeiten, welche bei der strengeil Disciplin trotzdem die sofortige Entlassung der betreffenden Schutzleute zur Folge hatten, bekannt wurden, benutzten dies Viele, um über die neue Polizeiordnung zu raisonniren, vielleicht auch ivcil Manchem dieselbe unbequem sein mochte. Daß aber die geplagten Leute, während der Wiuter- monate nur in leichte Tuchcapots gekleidet, ohne Regenmäntel, deS NachtS dem abscheulichsten Wetter prcisgegeben und den Chicanen, Angriffen und unerträglichen Unbilden angetrunkener Kra- kchler, Exccdenten. Straßentumultuantcn und Vagabondcn ausgesctzt waren, Das ließ man unerwähnt. So war die Sachlage im Anfänge; aber die Nörgeleien und Angriffe, welche das neue Schutz mann-Institut damals hinnehmen mußte, ver stummten bald. Der wohlorganisirte stramme Dienst machte seinen wohlthätigen Einfluß zu sichtbar geltend, als daß er hätte unbemerkt blei ben können. Allen vorkommenden Exccssen, gleich viel ob bei Tage oder bei Nacht, stand ein rasches, energisches Einschreiten entgegen, und wo nöthig, war sogleich polizeiliche Hülse bei der Hand. Die Zahl der Exccsse minderte sich, und daS Element, wel ches am häufigsten mit der Polizei in Berührung ru kommen pflegt, gewann vor dieser einen Re spekt, den es den stockbewehrten früheren Polizei dienern niemals gezollt hatte. Vorfälle, wie sie noch vor Jahresfrist sich in der Pleißengassc und im Gosenthale ereigneten, würden der neuen Schutzmannschast gegenüber nicht möglich gewesen sein. Doch cs wäre überflüssig die wohlthätrge Einwirkung dieses Instituts auf das Gesammt- wohl weiter auszuführen — es hat sich, trotz feines erst halbjährigen Bestehens, musterhaft bewährt, was sich wohl auch darin documentiren möchte, daß eine Anzahl unserer Schutzleute zu Landgendarme« befördert worden sind und durch neue Mannschaften ersetzt werden mußten. Was die Organisation des Eorp« anbetrifft, so besteht sämmtliche Executiv-Mannschaft mit Ein schluß der Chargen aus 186 Mann unter Com- mando eines ersten Lieutenant« und eines Unter- lieulcnant«. Die Eriminal - Abtheilung bilden 1 Wachtmeister, 5 Corporate und 6Sck»utzmäner; 2 Wachtmeister sind auf Hauptwachc mit vicrund- zwanrigstündigem Wechsel, 2 andere Wachtmeister versehen neben den beiden Lieutenants den Eon- troldienst über die Mannschaften; 1 Corpora! hat täglich Dienst auf dem Wartefaale; 2 Schutz männer sind Begleitofficianten mit täglichem Wech sel nach Dresden; 2 Sckmtzmänner find für die Sittenpolizei, 1 Mann als Ordonnanz bei der Kreisdirectwn und 10 Mann für den Bahnhofs dienst mit vierundzwanzigstündigem Wechsel, also zusammen 32 Mann commandirt. Es verbleiben demnach für den städtischen Tag- und Nachtdienst 154 Mann, mit Einschluß der 18 Corporale. Diese Mannschaften sind in zwei Paraden einae- theilt, von denen am Tage 66 und des Nacht« 88 Dienst haben und zwar mit vierundzwanzig stündigem Wechsel. Die 22 des NachtS mehr er forderlichen Leute haben je einen Monat all nächtlich von Abends 10 blS früh 8 Uhr Dienst. Es sind diese 66 resp. 88 Mann in 9 Wachen, und zwar die Hauptwache am Naschmarkt und 8 Bezirkswacben vertheilt. Bei Tage besteht die Hauptwache aus 27 und bei Nacht aus 23 Mann; 7 Bezirkswachen haben bei Tage jede 5 Mann — 35 Mann und bei Nacht zede 8 Mann — 56 Mann, während eine Bezirkswache bei Tage 4 Mann und bei Nacht deren 9 zählt.
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