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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 08.09.1874
- Erscheinungsdatum
- 1874-09-08
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-187409082
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18740908
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18740908
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1874
-
Monat
1874-09
- Tag 1874-09-08
-
Monat
1874-09
-
Jahr
1874
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 08.09.1874
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Erscheint tätlich früh 6>, Uhr. Rtöacllni, mit LsptUU«, JohaiiiilSgagc 32. N«r«nnv. Redacicm /r. -iüluri Sprechslimdr d. Ardaction Poriniikag» v»,i 11—12 Ndr Nütdu.ulag» von 4—.> Udr. nnnahmc >er für dir nüch-t- ot-rndr Hummer beslimnttri, fmrra.r c:„ Wochrnmqrn bis '.Utir Oiachmittaqs. «ui Lv'in- >nd Weltlagen früh bis '/,ü Uhr Filiale für Zascralraaniiaiimt: ^tto Kirn,in. UinversiicitSsir. 22, '«Uta t.'Silbe. Haiusrr. 21, part. und TagMM Anzeiger. Lrrav lü! Politik. Lvcalzcschichtr, Hendrik- und GMäMttkcd'. U.8L» ^donormrutrprrl» r ilcliahrlich l Thlr. 15 Nar, mU. Bringerlohn l Thlr. 20Scgr. Jede einzelne Nummer 2'/, Agr. Belegexemplar 1 Ngr. Gebühren für Extrabeilagen ohne Postbesörderung t I Thlr. mit PosidrfSrdcrung 14 Thlr. Inserate SgespallenrBourgoiszrilr 1'/»Ngr. Größere L christeil laut unserem Preisverzeichniß. Rrclamra «utrr t tic-aclioaisirtch dlr Epaltzeile 3 Ngr. Inserate sin'' stets an d. Lkpedttts» -u smdcn. Bekailnstnachung. Zu unserer Bekanntmachung vom 20. vorigen Monats, die Nuiumcrirung der Emilicustraße betrrffcud, fügen wir berichtigend tunzu, tag diejenige Parcelle, lvelchc künftighin die Straßcinlummcr 33 fuhren wir^, nicht Herrn I H. Klingcr, sondern Hern H. L. Klinqer gehört. Leipzig, am .'». September 1874. Der Rath der Stadt Leipzig. IN. Koch. Messerscjhinldt. Zum 2. Waisenfest (Hesse-Stiftung), Mittwoch, den st. September im werden die Herren Lehrer, Pflegeeltern, Gönner und Freunde der Kinder willkommene Zuschauer sein. Versammlung der Waisen Nachmittags 1 Ubr im Waisenhause. rade dieser Ort durch seine Kohlenschastc doch so großes Interesse hat. Die Insassen der Wagen schienen sich aber darüber keinen Kummer zu machen, sondern vereinigten sich zu einem solennen Frühstück in der Bahnhofsrestauration, bei dem es an gewandten ernsten und heiteren Trinksprüchcn nicht fehlte. '/^3 Uhr wurden die skimmtlichen Theilnchmer nach Gaschwitz zurückgeführt, nicht ohne nochmals an allen Stationen lebhaft gefeiert worden zu sein. Der (Eindruck, den Referent aus allen den vielen Proben der tauten Freude, die namentlich in Len O rten Zwenkau, Groitzsch und Lucka sich kundgab, gewonnen hat, ist ein durchgängig befriedigender. Es will in Wahrheit scheinen, als sei ein geseg neter und ganz unverdient längere Zeit sehr ver nachlässigter Landstrich dadurch glücklich gemacht worden, daß ihm nach langem rastlosen Ringen endlich der Segen einer Eisenbahn bescheert wor den ist. Anders sind wenigstens die unverfälschten Die Eröffnung derLeipzig-Gaschwitz- Meuselwiher Eisenbahn l)at am 0. September, begünstigt vom Weller und unter regster Thcilnahme. die weil alle Erwariung übertraf, in glänzendster Weise statlgesuudcn. Gaschwitz war geschmackvoll und reich geschmückt. Rach Eintreffen der geladenen Festtheilnehmer, — unter denen wir hervorheben dieHerrenMinister Sonnenkalb aus Altenburg, Geheimer Regierungs rath von Witzlebcn, als Stellvertreter des Kreis dircctors, Geh. Finanzrath Freiherr von Bieder mann aus Dresden, Directionöräthe Kell und Nowotny ans Dresden, die Commissare der Eisen bahn, Amtshauptniann Platzmann und Regiernngs- rath Hase aus Altcnburg, Polizei-Director Rüde?, Amtshauptniann 1)r. Spann, Hosralh Hvffmai-n in Vertretung der Lelpzig-DreSdncr Eisenbahn und viele andere ausgezeichnete Gäste — wurde von einem Musikchor der Ehoral „Nun danket Alle Gott" angcstinimt, an den anknüpfend der Ortsaeistlicke Herr Pastor Dürbig aus Städtcln ein Weihgebet sprach, das durch die Wärme der Empfindung der Feier einen besonders würdigen Anfang verlieh und auf die Hörer eineil tiefen Eindruck zu machen nicht verfehlte. Dem Redner folgte Domherr 1)r. Fricdcriei mit einer Bewill kommnung der erschienenen Gaste, an die er ein Hoch auf Se. Majestät den König voll Sachsen und Sc. Hoheit den Herzog von Altcnburg anschloß. Unter Iubelrusen und den Klängen eines munteren Marsches setzte sich der Festzug in Bewegung, der Bahnhof war mit Zuschauern dicht besetzt, die hvchrufend dem Zuge das Geleite gaben. In Zlvcnkau empfingen ihn auf dem ge schmackvoll decorirten Bahnhof der Stadtrath und die Stadtverordneten, sowie Körperschaften aller Art bis zur Schuljugend herab und man kann buchstäblich sagen die ganze Bevölkerung von Ort und Umgegend war auf den Beinen. Herr Bürgermeister Ahnert begrüßte in längerer flie ßender Rede die Ankommenden, was von dem Vorstandsmltglicde Herrn Stadtrath Wagner auS Leipzig dankend erwidert wurde. Woblausgeführte «Sesangstück« des Zwenkaner Männergesangvcreins verschönten außerdem die Zeit des Aufenthalts an dieser Station. Einen nicht minder festlichen Empfang bot die Stadt Groitzsch den» c,ntrcffenden Zug. Ausgestellte Musikchöre begleiteten die fröh lichen Begrüßungen der versammelten Menge, unter der die gesammte mit Kränzen geschmückte Schul jugend in ihren Festkleidern sich atS besonders freund l ches Bild hervorhob. Rath und Stadtverordnete waren vertreten Ersterer durch Herrn Bürger meister Frentzcl, der eine Ansprache hielt und auf die sofort von der Höhe eines Eisenbahnwagens, die ein Mitglied der Schützengilde erklommen und sich als Rednerbühne erkoren hatte, eine weitere Begrüßung folgte. Herr Vorstand Meischke dankte für die an den Tag gelegte Theilnahme, woraus durch drei junge sehr hübsche Damen, deren Na men wir leider nicht erfahren konnten, nuu den Vertretern der Eisenbahn Blumenbouquets mit verbindlichsten Worten überreicht wurden Unter Böllerschüssen und unter den lautesten Aeußerungen der Freude über da« endlich fertig gestellte, für diese Stadt so bedeutungsvolle Wert schlug der »Festzug seine Weiterfahrt nach Lucka ein, in welcher Stadt, der ersten aus Altenburger Gebiet, ein glänzender Empfang durch die versammelte Ein wohnerschaft und durch die ausgestellte, geschmack voll uniformirtc Schützcncompagnie sich entwickelte. Herr Bürgermeister und Gerichtsamtniann Weber, wie wir vernehmen und gleich hier einschalten wollen, einer der verdienstvollen Urheber des Bahnbaues, brachte den Gruß der Freude über das nach langen» Hoffen glücklich erreichte Gelin gen des Unternehmens entgegen und Herr Hugo' Welter Namens de« AufsichtSrathcs fand passende Worte des Danke« für die Auszeichnung, die die Stadt dem Festzuge dargebracht hatte. So er reichte endlich nach mehr als zweistündiger Fahrt der Eisenbahnzug sein Ziel Meuselwitz. Geschmückt war auch da der Bahnhof wohl, aber nur durch d,e Beamten der Eisenbahngesellschaft war die« geschehen. Der vor Kurzem au« einem Markt flecken zu einer Stadt erhobene Ort Meuselwitz schien kein Berftändniß für die Bedeutung des Hages zu haben, an drssen gedeihlichen Folgen ge- Ausbrüchc dankbarer Genugthuung nicht zu deuten. Ist dem aber in Wirklichkeit so, dann mögen Die, welche unter vielen Sorgen das Werk zu Ende führten, einen Lohn für'ihre Mühe finden und die Eisenbahn. Vas wünschen wir aufrichtig, den von ihr berührten Orten Len crbofften Segen bringen. Aus dem Gcrichlssaa!. Lripstg, 5. September. Ai» 20. Novem ber des äahres 1372 verunglückte der Hand arbeiter Grute dadurch, daß er beim Neubau des Prost'schcn Hanscs in der Dchlctlerstraße beim Austreiben von Ziegeln von der ersten Etage m das Souterrain herabstürzte und sich mehrfache Körperverletzungen zuzog. Grute hatte unmitlel bar vor den, Sturze aus den zwischen den Fuß bodenbalken der ersten Etage lose eingelegten Fehl boden Brettern gestanden, welche jedoch, da eine der diese Bretter tragenden Latten gebrochen, den Sturz Grute's herbeisührten. Grute wurde inS Hospital gebracht und bei genauer Untersuchung seiner Verletzungen gesunden, daß ein Splilter- bruch des linken Schlüsselbeins und eine Verren kung dcS rechten DaumcngelenkcS vvrlicge. An fangs und bis zum 5. Dcccmbcr nahm die Hei lung einen glücklichen Verlaus, allein am 6. Deccmder traten die ersten Zeichen des Starrkrampfes ein, welche derart überhand nahmen, daß am Abende des 10. Dcccmber 1872 der Tod Grute's erfolgte. Nach dem ärztlichen Gutachten hat nun nicht mit Gewißheit behauptet werden können, daß der Tob Grute's eingetreten sei infolge der vorher gegange nen Verletzungen und cs ist deshalb die nachmals gegen den Bauunternehmer Johann Wilhelm August George und den Zimmerpolirer Carl Hermann Pflocks von hier cingeleitetc Unter suchung lediglich auf das Vergehen der fahr- lässigen Körperverletzung gerichtet worden. Nach den» sachverständigen Gutachten der Bau- gewcrken ist als feststehend angenommen worden, daß der erwähnte Bruch der Latte, durch die die Katastrophe unter gleichzeitigem Herabsturz von vier Fehldodenbrettern herbeigeführt wurde, un mittelbar neben einem in die Latte eingcwachsenen Aste sowie einem der beiden Nägel erfolgt sei, mit welchem die Satte an den Balle» befestigt gewesen, lväbrcnd der zweite Nantt «ttda 40 Zoll davon entfernt gesessen habe. Glun sollen aber, wie cs in dem sachverständigen Gutachten heißt, na» den allgemein anerkannten Regeln der Baukunst einmal die Nägel, mittelst welcher die Feblbodcn- latten an die Balken befestigt werden, im Abstande von nicht mehr als 12 dis 15 Zoll zu einander eingeschlagen, alsdann aber auch, wenn Aeste sich in den Latten vorfinden, noch außerdem Nägel an jeder Seite des AsteS cingeschlagen iverden, Regeln, durch deren richtige Befolgung, wenn nur anders die Latten gesund, die Tragfähigkeit für die Last emes Menschen sicher gestellt werde. Gegen diese Regeln haben nun, wie das zuerst erkennende kvnigl. Gerichtsamt im Bezirksgericht Leipzig (als wohin die Sache verwiesen worden) angenommen, die beiden oben genannten Ange klagten gefehlt und sich dadurch einer fahrlässigen Körperverletzung im Sinne der ZH 230 — 232 de- ReichsftrafgesctzbuchS schuldig gciiiacht. Dass genannte GerichtSamt hat demnach die Beschul-1 digten und zwar den x. George zu einer ein-j monatigcn, den Pflocks aber zu einer sechs wöchigen Gesängnißstrase verurtheilt. Diese Entscheidung hatten George sowohl als Pflocks mit dem Rechtsmittel des Einspruchs au- gesochten. In der deshalb unter Vorsitz des Hrn. Ass. Obe nauS statlgesundenen öffentlichen Ver handlung des K. Bezirksgerichts, zu welcher die Angeklagten mit ihrem Vertbeidiger, Hrn. Adv. Frcylag, erschienen waren, erstattete der Herr Vorsitzende zunächst Vortrag aus der Sache. Der königl. Staatsanwalt Herr IN. Wiesand, welchem darauf das Wort ertheill wurde, erklärte, daß er den eben so gründlichen als zutreffenden Ausführungen deS Einzclrichtcrs im Wesentlichen Nichts binzuzusiigen babc. Der ursächliche Zu sammenhang zwischen der Verunglückung Grute's und der ungenügenden regelwidrigen Nagelung der Fehlbodenbretter stehe nach den Beweiser hebungen außer allem Zweifel. Bei Pflocks folge die Fahrlässigkeit einfach aus der von ihm nicht gehörig erfüllten Aufgabe der richtigen Eontro- lirung der ihm unterstellten Zimmerarbciter; aber auch der Bauunternehmer George könne sich der eigenen Verantwortlichkeit nicht cntschlagcn, weil ihm die Oberaufsicht zusalle und er an der Gewisscnhaftigtcit :c. Pflocks' umsomehr zu Zweifel»' Grund gehabt habe, als ja der Bauherr Prost ihn ausdrücklich aus die mangelhafte Nagelung der Fchlbvdenbretter kurz vor dem Unglück aufmerksam gemacht habe. Die Strafe sei gerecht, denn es solle eben der Arbeilerstand durch das Gesetz gegen Nachlässigkeiten der Unternehmer und Arbeit geber in Schuf; genommen werden. Der Vertheidigcr, Herr Adv. Freytag, betonte zunächst, daß nirgends auch nur der geringste Anhalt dafür sich ergeben habe, daß etwa bei George mit dem Nagelmatcrial gekargt worden sei; lediglich ein Versehen der mit der Nagelung betrauten Zimmergesellen sei also an dem Unglück schuld, und wenn der betreffende Arbeiter sich nicht habe ermitteln lassen, so sei eben in der Sache nichts weiter zu thun; keineswegs könne inan den Polircr, noch viel weniger aber den Bauunternehmer verantwortlich machen. Wo m wenigen Stunden ungefähr 2000 Nägel cinge schlagen würden, da könne der Polircr die richtige Distanz der einzelnen Nägel von einander nur in» großen Ueberblicke controliren. Auch bei der größten Ausuierksamkeil könne er nicht verhindern, daß Lücken vorkämen infolge des Versehend ein zelner Arbeiter. Der Bauunternehmer abc? sei wieder, wenn ihn nicht der Vorwurf treffe, einen unzuverlässigen Polircr angestcllt zu haben (und davon sei hier nicht die Rete), der Natur der Sache nach gezwungen, aus de» Polircr in solchen unbedeutenden Puncten sich zu verlassen. Als die Balkenlage und die Fehlbodcnbretter im Hause fcstgcmacht gewesen, habe aber George einen so unbedeutenden Mangel, wie das Fehlen von einem bis zwei Nägeln selbst bei außergewöhnlicher Aufmerksamkeit nicht mehr entdecken können. Er beantrage deshalb die Freisprechung beider An geklagten und bitte event. wenigstens darum, daß an »stelle der Gesängnißstrase auf Geldstrafe er kannt werden möge. Das Königl. Bezirksgericht bestätigte jedoch allenthalben daS erste Er kenntniß. Neues Theater. Leipzig, 0. September. Aui Scdantage ivaren wir verhindert, der Aufführung des fünfactigen Schauspiel«: „Im großen Jahr" von Karl Kösting beizuwohnen; die gestrige erste Wieder holung gestattete aber eine unbefangenere Bcurthei- lung des Stückes, lvcil die festtägliche Stimmung, die an jenem Abend daS Püblicum beherrschte, eine begeisterte Aufnahme alter patriotischen Ergüsse selbstverständlich machte. Gestern war da- »stück auf ein Niveau mit allen anderen Dramen gerückt, wklckie das Repertoire uns vorführt. Wenn wir nachträglich constatiren, daß die erste Aufführung des Schauspiels am'Scdantage eine sehr erfolg reiche war und der Autor an jenem Abende mehrfach lzerausgerusen wurde, so müssen wir gleichzeitig hcrvvrlfcben, daß auch der Eindruck de» Stückes am gestrigen Abend cm günstiger blieb. Das Drama ist freilich leicht hingeworfen wie ein Gelegenhcitsstück und Kat einen organischen Grundfehler: es fehlt ihm die Einheit de« Tous.. Die drei ersten Acte haben den ernsten Zug des zcitgeschichtlichen DramaS; die beiden letzten sind reine Lustspielacte, und die Lösung der Confticte geschieht wie sie von Anfang an wvrauszusehcn war, in bequemster Werse durch die zwei kreuz- iveiscu Heirathen. Gleichwohl würde inan unrecht thun. den Dichter in eine Linie zu stellen mit den beliebigen Bühnensabrikanten, lvelchc sich durch ein abgebrannlcS Phrascnfeuerwerk der Nationalsesten bengalisch beleuchten lassen und bei denen die Phrase das Talent vertreten muß. -vsting hat schon srül-er unbestreitbare Proben dichterisäfen Talentes gegeben, und dasselbe be währt sich auch in dem letzten Schauspiel. Nichts ist mehr zur „Phrase" geworden, als der Tadel, den man oft über die „Phrase" ausspricht. Der alte lateinische Spruch: 8i cluo iclem faeiunt, ooo est ickem, läßt sich wohl dahin variiren: wenn Zwei dasselbe sagen, ist eS nicht dasselbe. Wer den Un terschied des dichterischen Styls übersieht, wird freilich allcS in denselben Topf werfen, was für den oberflächlichen 'Anschein den gleiclfen Inhalt hat. Es war ein Unterschied, ob Klopstock oder Rainler oder irgend ein beliebiger Zopfpoet den großen König verherrlichte. Die »Feier des großen Friedrich war in allen diesen Gedichten dieselbe; auch mochten sie ähnliche Gedankengängc bcrben, aber der dichterische Styl, das Gepräge des dich terischen Talentes, blldete den großen Unterschied. So gehl cs mit der Krlcgslvrik von 1870. Erst die 'Nachwelt wird entscheiden, was Kern, Gehalt und Dauer hat. Es ist aber Pflicht der Kritik, auf solche innere Vorzüge eines Bühnenwcrkes hinzuweiscn, und wir genügen derselben, indem wir die wahrhaft poetischen Züge in der Kösting'schen Dichtung hervorheben. Gegenüber den Triviali täten und Kalauern, welche wie Kletten sich in die Gewänder unserer alltäglichen Thalia auch bei ihren unbestrittensten Erfolgen einnistcn, finden wir liier in dem Dialog originelle dichterische Wen dungen und Bilder zahlreich eingestreut, und wo er sich zu begeistertem Schwung erhebt, wie bei der Anrede Atos an die Deulschfranzösin Marion, da atkniet er wahre Innigkeit der Empfindung und dichterischen Adel. Do» auch die Handlung ist an prägnanten Zügen reich. Wenn der alte Veteran aus den Zelten des ersten Napoleon das Bild seines Kaisers nach der Schlacht bei Sedan verschleiert, wenn eine ganze große Geschichts epoche. die sich allerdings aus eine kurze Zeit zu- sammcndrängt, sich plötzlich vor den Augen des verwundeten französischen Hauptmanns entrollt, von dessen Krankenbett man alle Nachrichten fern gehalten hatte; so wird durch Beides eine ent schiedene dramatische Wirkung erreicht und Beide- gehört nicht zu den Handwcrkskniffen der Routine, sondern cS ift die Eingebung dcS Talentes. Die beiden letzten Acte hätten sehr gewonnen, wenn sie in einen zusaininengedrängt worden wären, so daß man sic als ein lustspielartigcS Nachspiel hätte auffassen können. Die geringe Spannung auf den AuSga»g der Handlung thut ihnen Eintrag. Gleichwohl sind sie nicht ohne frische und erheiternde Scenen und namentlich bietet die Rolle des John Adam Schlemm, welche Herr Hänsclcr mit vieler Jovialität auSstattete, allerlei ergötzliche Seiten. Herr Neu mann (Francois von Lichtenstein) führte die Rolle mit entsprechender Repräsentation durch und gab uns namentlich ein lebhaftes Bild der wechselnden Stimmungen, in welche den genesenden Ofsicier die Nachrichten vom Kriegsschauplatz versetzten. Herr Trotz als Doctor Otto Kronhorst hatte den frischen Zug deutscher Idealität; dock, ließ sich die Rede an Marion im dritten Act wohl noch wirksamer auseinandersetzen und steigern. Frl. Schwarzenberg als .Hedwig Friedreich erschien uns im Ganzen etwas zu bläß. namentlich im zweiten Act, wo sie ein heldenhafter Geist beseelen soll. Die empfindsamen Stellen gelangen der Dar stellerin besser als die energischen. Der Veteran Mathieu wurde von Herrn Klein in Maske und Spiel gut dargestellt und zu einer der bedeutsam sten Rollen dcS Stücke- gemacht. Frau Beth- mann spielte die Frau Kronhorst. die bis zum Schluß mit einem undramatischen Geheimniß be lastet ist, da» sie dann zur Lösung der Conflicte glücklich am Schluß abwirft. Die Regie ließ in Kleinigkeiten Einiges zu wünschen übrig. Von der preußischen tttercir» kunst bekamen wir keine sonderlichen Begriffe, al- wir von den drei Soldaten der Einquartierung auf den Befehl ihres Unterofficicrs den einen das Gewehr über, die beiden andern Gewehr ans ab» marschiren sahen und die sechs Kinder, welche am Schluß des zweiten Acte- über die Bühne zogen, um da« patriotische Kinderfest anzudeutcn, waren wohl besser fortgeblieben, da diese Abbreviatur doch zu kindlich war. oder man hätte einen etwas massenhafteren Vorbeimarsch der patriotischen Jugend insccniren müssen. Rudolf Gottschall. Daß die „Lustigen Weiber" von Nicolai hier eine Zugopcr ist, bewies der Sonntag Abend. Das Haus war total au-verkaust und viele Leute versuchten es vergeblich noch einen Platz zu er halten Dieser fortwährend überaus günstige Theaterbesuch mag wohl auch Zeugniß davon oblegen, daß unsere Bühne z. Z. noch Kräfte von großer Bedeutung besitzt und daß man bestrebt sein soll, dieselben zu erhalten und die vorhandenen Lücken durch tüchtige Engagements zu ersetzen. Kommen erst die beiden Tenöre. Müller und Stolzen- bera, dann wird wenigstens auf cm Jahr eine brillante Besetzung unserer Oper erzielt sein.
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