217 Von Julius Hammer. war nicht bei mir. Aber nun bin ich ganz nüchtern und bei Sinnen. Es ist mir auf einmal wie Schuppen von den Au gen gefallen. Non nun an soll's anders werden, anders, sag' ich euch. Laßt mich, ich komme bald wieder." Da kein Bitten und kein Zureden half, fo ließ man ihn gehen. Die Treppe hinunterstolpernd murmelte er noch zu wiederholten Malen: „Anders, sag' ich euch, ganz anders." Die Reue über sein abscheuliches Benehmen würde ihn wahrscheinlich noch viel ärger gemartert haben, als sie es ohne hin schon that, wenn die Wirkung des genossenen Brannt wcins seine Lebensgeister nicht noch immer in einer gewissen entschlossenen Spannung erhalten hätte. Er wußte zwar noch nicht, was er wollte, aber schon der lebhaft erwachte Trieb, etwas für die Seinigcn thun zu wollen, schützte ihn vor muth- loser Stumpfheit. Er wollte zuvorderst überlegen. — Mit sich selbst redend wankte er die dunkle Gasse hin unter. Nachdem cs einige Tage vorher stark geschneit hatte, war Thauwctter eingetrcten. Aber Barthels achtete trotz sei ner zerrissenen Stiefeln des Schmutzes und der Nässe nicht. Die feuchte Lust that ihm wohl; sie kühlte ihm die brennende Stirne, linderte sein stechendes Kopfweh. Als er an der Annenkirchc vorüberkam, übcrlicf ihn ein seltsamer Schauder. Er glaubte Orgel zu Horen, es summte ihm vor den Ohren wie Chorgcsang. Was ihn in der letzten Zeit viel beschäftigt hatte, und was auch die Ursache seiner Niedergeschlagenheit gewesen, er wachte mit erneuerter Lebhaftigkeit wieder in seiner Brust — die Erinnerung an die Weihnachtstage seiner Kindheit. Bar thels war — das wollen wir hier beiläufig einschaltcn — aus der kleinen Stadt Bischofswerda, wo sein Vater ein ehr barer Schuhmacher gewesen, gebürtig und hatte, da das Schuhmachcrgewerbe nicht nach seinem Geschmack war, das Strumpfwirkerhandwcrk erlernt, das er aber, als dessen Be trieb nicht recht gehen wollte, gegen eine gute Anstellung als eine Art Markthelfcr in einem großen Wollgcschäftc vertauschte.