205 Von C. Hcrloßsohn. „Auch Du bist schön, holdselige Knospe, nicht Königin noch, aber werth Königin zu sein." Die Knospe senkte verschämt die Augen und erröthete tiefer, dann crwiederte sie leise: „Ich weiß nicht, was Du sprichst, aber die Gnade des Herrn hat mich erschaffen." Da cntgegncte der Falter: „Du bist so dcmüthig und bescheiden und preisest den Herrn, Du sollst meine Erwählte sein." Dies schnitt der vollen Rose in's Herz, denn sie empfand ihren Mißgriff und den Schmerz der Zurücksetzung und sie erblaßte vor Scham und Weh. Seitdem giebt es auch weiße Rosen. Von den Farben. Warum ist die Farbe der Hoffnung grün, die der Treue blau und jene der Unschuld weiß, und die Farbe der Liebe roth? Es steht davon nichts in der Blumensprache; wir müssen das Buch der Natur aufschlagen. Die Farbe der Unschuld ist weiß, weil Weiß gar keine Farbe ist, die Schuldlosen wissen cs gar nicht, daß sie schuld los. Erst mit der Schuld kommt das Bewußtsein derselben. Ein Erdenstäubchen schon entweiht die Reinheit der Lilie — und die Lilie ist dann nicht Lilie mehr. Und die Farbe der Treue ist blau, weil ja der Himmel blau ist, der uns nie gelogen, der da fest steht, wie wir auch wanken und schwanken, der immer wieder erscheint nach Wolken nacht und Ungcwitter in seiner ewigen treuen Reinheit. Und wenn Alles bricht, blicken wir zum Himmel empor. Dort oben, nicht hier unten in der Erde oder im feuchten Meer ist der Ankergrund unsers Vertrauens. Dort oben „Ucberm blauen Himmelszelt Muß ein guter Bater wohnen!"