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149 Von Ignaz Kuranda. die politischen Systeme und Parteien schärfer und entschiede ner sich abscheiden, als bei uns, da wird es dem Leser eben so leicht, die Fahne zu erkennen, welche ein Journal aufge pflanzt hat, als dem Redakteur, sic unerschütterlich festzu halten. Betrachten wir nur die pariser Journale; umgeben von den besten literarischen und politischen Kräften der Nation, die alle in einer und derselben Stadt ihren Sitz haben, da braucht ein Blatt von einer bestimmten Farbe blos ein Programm bekannt zu machen, und Alle, die zu seiner Meinung sich be kennen, reihen sich ihm an. Man bespricht und verständigt sich mündlich und giebt dann allen Beiträgen Eine Richtung, Einen Willen, Einen Stempel. Anders in Deutschland. Abgesehen davon, daß hier die Parteien weder der Zahl, noch der Meinung nach so feste abgerundete Gruppen bilden, leben die Männer, die wirklich ein und derselben Meinung angehö ren, in hundert Ecken zerstreut. Das Journal, welches die- selbe Farbe trägt, ist sechzig Meilen weit von demjenigen ent fernt, der das meiste Talent und den eifrigsten Willen hätte, cs zu unterstützen. Nicht bei Jedermann ist die Anregung und der Drang, sich auszusprcchen, so stark, um erst eine lange Einleitungscorrespondenz mit einer entfernten Redaction zu beginnen —, und so gehen oft die besten und unterrichtetsten Männer nicht nur für ihre Partei, sondern für die Presse überhaupt verloren. Mancher — bei dem die Anregung stär ker ist, obschon er nicht minder die fernen Anknüpfungen lä stig findet, obschon er nicht minder die vielen Umstände und das lange Warten auf den Abdruck, der oft als Aloutmäe aprös 6,1161' erscheint, scheut — wendet sich an das ihm zu nächst liegende Journal. Dieses hat zufällig eine ganz andre Richtung als die, zu welcher er gehört; er muß daher seinen Ar tikel modisiciren, accommodiren, castriren und censuriren. Da raus entsteht gleich ein doppelter Zwiespalt, ein doppelter Mißbestand. Das Journal, welches einen solchen Artikel er hält, nimmt, wie er auch modisicirt sein mag, immer doch ein seinem Organismus fremdartiges Element auf, das sein