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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 20.07.1875
- Erscheinungsdatum
- 1875-07-20
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-187507200
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18750720
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18750720
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1875
-
Monat
1875-07
- Tag 1875-07-20
-
Monat
1875-07
-
Jahr
1875
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 20.07.1875
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r n Erscheint täglich früh 6'/, Uhr. RrSucttai „S Leprlttt«» JohanniSgasse 33. Verantwortlicher Redakteur Ar. Hüttner in Reudnitz. Sprechstunde d. Redaktion V»r»«ttag« vo» N- N Uhr O«ch«»a,« rou 4 —d Uhr. Lanndmr der für die nächst- wtaende Nummer bestimmten Inserate an Wochentagen bis 8 Uhr Nachmittags, an Sonn- und Festtagen früh bis '/,d Uhr. FUialr skr Zasrratru-ooalimr: Otto Klemm. UniverMtsstr. 22, «out« Lösche. Hainstr. 2l. pan. TagMM Anzeiger. Organ für Politik, Localgeschichtc, Handels- und Geschäftsverkehr. Auflage 13.400. ^boaaemeakepreta viertelt. 4 V, Mt incl. Bringerlohn 5 Mt. Jede einzelne Stummer 30 Ps. Belegexemplar 10 Pf. Vebührc» für Lxlrabeilagen ohne Postbeförderung 36 Mk. mit Postbrsvrderrmg 45 Mt. Ziiscrale 4aesp. BourgeoiSz. 20 Pf Größere Schriften laut unserem PreiSverzeichniß — Tabellarischer Satz nach höherem Tarif. Nrclamrn unter dem ttedacttouojirtch die Spaltzeile 40 Pf. Inserate sind stets an d. Srpedftio» zu senden. — Rabatt wird nicht gegeben. Zahlung pi-senumeranäo oder durch Postvorschuß. W 20 l. Dienstag den 2V. Juli. 1875 itrur- NUdd über geben aus- iblick , un» i den si o h » Äockr mrden tc gc- che>t- 9000 Ilua'i- ; uav t. — Pstall- I, do. Proc 85 i Proc -32.2-> Nach- Poster. . Kai. l. 42 li. dv .25 per aderten lo Kilo, nahleue llig zu » Kilo Polar, - ier per Kry od. 9r> 70 bis od. 95 ,.50 bis , Nach icker bkk nade l. d». 80, ie incl. gemahl . Farin . Syrup effektiv, va da» iruzucker rbrnfalls lche <Se- nzen gr° se anzu- : Brrkrhr zeringem Raffi. ». 42 25. h. Gem in, blond > ^>l. incl ing und do. 41. do. 90 ,c. 34.25 proc -. «S nomi- a, effektiv l. Tonne rkt-Bc- che ange- i besucht, länkt und rer Nach- ff.Waare : be, seil > faltendem » G-schä-t f auch in Ouclitäl. Koggen. 18»»- to l45 » Kil netto n. Jal. hat h:ut: lngetr.ten nania" ist hon West .000 kstcl. .Bochnea" gekommen. ckr Lloyd bgrgang«: che Lloyd- m Bremen Bekanntmachung. Wir bringen hiermit zur öffentlichen Kenntniß, daß die am JohanniSkirchlhurm befindliche Uhr behuf- Bornahme einer nothwendig gewordenen Reparatur abgenommen und vor Verlaus von 14 Tagen nicht wieder zur Aufstellung gelangen wird. Leipzig, den 19. Juli 1875. D», Rath der Stadt Letpzt,. vr Koch. Wangemann. Bekanntmachung. Die diesjährigen Zinsen der Fregeschen Stiftung zur Belohnung treuer und völlig unbeschol tener Dienstboten, welche mindesten« 20 Jahre hindurch bei einer oder zweien Herrschaften in hiesiger Stadt gedient haben, sind am 30. August d. I in Beträgen von mindestens 10 Thalern zu ver- thellen. Bewerbungen sind bis zum 7. August diese« Jahre« unter Beifügung von Zeugnissen der Dienstherrschaften bei un- anzubringen. Spätere Anmeldungen, sowie Bewerbungen von Dienst boten, welche au« obiger Stiftung bereit- ein Mal belohnt worden sind, können nicht berück sichtigt werden. Leipzig, am 1. Juli 1875. Der Rath der Stadt Leipzig. vr. Koch. G Mechler. ZUM Lulturkampf. zu „Rom uud die deutsche Bibel".*) (Schluß) WaS hilft mir eure Republik und politische Freiheit, die ihr übrigen- nickt habt, wenn ihr nicht vor Allem geistig frei seid? Dad schlagendste Beispiel dafür lieferte in unfern Tagen einer der Gründer der spanischen Republik sei. Andenken-, Castelar, gewiß sonst in Allem ein hochherziger Geist und em Ehrenmann. Wie donnerte er im Herbst 1870 zu TourS gegen die deutschen „Bar baren", die eS wagten die französische „Republik" zu bekämpfen! Ein Mann der Nation, aus deren Schooße die größte Beschimpfung bcS GotteS- geisteS im Menschen, die Inquisition mit ihren ÄutodasöS für Ketzer und Juden, hervorgegangen ist, wagte eS daS Volk anzugreisen, dem die Menschheit die Befreiung deS Geistes verdankt? Ärmer Verblendeter! Deine Republik ist ver schwunden wie ein Schattenbild, warum ? weil deine Spanier in den Banden deS PfaffenthumS liegen. AuS dem Lande de- Exil- heraus kannst Du die neuen Fortschritte desselben in deiner Heimath verfolgen und Du wirst bald deine Worte von Tour- widerrufen und eingestehen, daß m Deutschland jetzt die Zukunft der Mensch heit ruht. Wir sahen, wie der Adel, Bürgerstand, Arbeiter und Soldaten von den Jesuiten bearbeitet werden, daS ist ihren Alle- noch nicht genug; sie ver schmähen Nichts, auch die weiblichen Dienst boten, die armen Mägde werden von ihnen m eigenen Abendandachten dresfirt. Ich wohnte einer solchen in der Kathedrale von Orleans bei; der Priester sprach von der Beichte und den Büßungen, die der Beichtvater auferlcgen könne. Er sah die Fälle voraus, wo eine verständige Person die auferlegte Buße vielleicht abgeschmackt, verkehrt, unpassend findet, wo wohl gar das Gewissen, da- Sittlichkeitsgefühl sich dagegen empört. „Schadet nicht, sagte der Priester, lhut nur immer blind, ohne zu murren, was euch der Beichtvater gebietet; wenn er Unrecht hat, so habt ihr'- nicht vor Gott zu vcrant Worten, Gott rechnet euch euren Gehorsam als Tugend an." WaS kann da der Priester nickt Alle- den armen ungebildeten Mägden befehlen? Und wo ist da eine Familie sicher vor Spionage, vor Betrug, vor Berrath von Seiten der Dienst boten?**) Ich sagte oben, von den Jesuiten würden die Mägde so bearbeitet. DaS Wort lies mir so in die Feder; cS war kein Jesuit, e» war ein ge »Ähnlicher Weltpriester, der diese unsittliche An schauung den Mägden eintrichterte. Und daS ist eben da- Schreckliche, daß jene verworfenen jesuitischen Doctrinen, wonach der Priester in dem Beichtkinde an die Stelle de- Gewissen- tritt und die von dem gewissenhaften PaScat in seinen l^ttres provivoisleg so scharf gegeißelt worden waren, jetzt fast die ganze katholische Geistlichkeit beherrschen. (Ich sage fast, weil ich in Orleans selbst einen ehrenwerlhen Priester kenne, den ick auSnehmen muß, aber die Ausnahmen vermögen Nicht- gegen obige Thatsache) WaS kümmern mich da die früher» schöngeistigen, mehr akademischen als theologischen Deklamationen des Bischofs Dupan loup für die gallikanische Kirche? Bossuet selbst ist dem UnivcrS, dem von L- Lcuillot redigirten Jesuitenblatte, eine Art Apostat, und wie der Bischof von Orleans trotz allen Sträuben- sich doch zuletzt vor der „Unfehlbarkeit" de« Vatikans beugen muß, so wird er auch den Jesuiten er liegen. Sie warten schon darauf seine Erbschaft * Druckfehler. In der dritten Spalte der ersten Hälfte muß eS statt: äll, le» l>«uple» le, plus spiri tuelle» rc. heißen: le» plus »pirituel». **) Lugen Sue hat diese Gefahr in feinem anti- tefuitischen Roman „Der ewige Jude" in der Gestalt des Jocriffe trefflich gezeichnet; dafür haben fie ihn auch m Annrcy in Savoyen nicht ans dem katho- ! tischen Kirchhof begraben, er liegt br, dm Ketzern. den Prvtrstante». anzutreten. In einem Artikel, den ich der „Gartenlaube" über ihn versprochen habe, komme ich aus DleS und Andere- zurück. Nur EinS heri noch. Der Elementarunterricht, für den der Staat zwar in seinen Normalschulen ganz treff liche Lehrer vorbereitet, liegt zum größten Thell in den Händen der „Brüder der christlichen Lehre", der sogen, kröres iguorantins, die gewisse mönchische Gelübde, auch daS der Keuschheit abzulegen haben. Gegen die ge»isserhafte Beobachtung deS letzter» bringen die Zeitungen fast allwöchentlich authen tische, vor Gericht bestätigte Zeugnisse. Dagegen erhob sich einmal der Bischof Dupanloup aus der Kanzel seiner Kathedrale, nahm diese „Brüder" in Schutz gegen die Anklagen seiten- der Presse, und schalt sie Verleumdungen. Verleum dungen! Kurz vorher hatten m LimogeS vor dem Geschworenengerichte 80, schreibe achtzig Knaben, Kinder von 10 bis 12 Jahren, gegen diese mönchischen Brüder, ihre Lehrer, ouSgesagt! Solche schreckliche Fälle — wird nun der Leser einfältigen Sinne- meinen —müssen die Versagung dieser Verderber der JugenV herbekfiHren. Keines wegs; ein hockangeschener Bischof, den selbst die protestantische deutsche Journalistik naiver Weise für einen ausgezeichneten Mann hält, nennt solche Aussagen dreistweg Verleumdungen. Und die Eltern dieser Knaben sind gcnölhigt, ihre Kinder noch ferner diesen traurigen Anstalten anzuver trauen, aus denen soeben daS Geschworncngericbt so und so viel Verbrecher inS Gefängniß geschickt hat. Denn da die Eltern meist der ärmern Classe angehören, so hängen sie von den Unter stützungen deS BincentiuSvereinS und der Be schäftigung durch die reichen Katholiken ab, vie eS aus Interesse, eitler Vornehmthuerei oder auch wirklicher Bigoterie mit der Geistlichkeit und dem Herrn Bischof halten. Daß die Sittlichkeit dabei zu Grunde geht, ist Nebensache. Auf die Gläubigkeit kommt Alle» an. Ein inS Tiefste verdorbener, gläubiger Lüstling, mit dem ich einmal über den Werth bigott katholischer Bevölkerung in Neuspanien sprach, beseitigte diesen Emwurs auch gar z trocken und mit dem unschuldigsten Tone vollster lieber zcugung kurzweg mit den Worten: „Ja, da» ist etwas Andre-, es soat los moeuis." Nur muß man aber auch nicht sagen, wie eS einmal G Heine in der „Gartenlaube" gelegentlich der gotteslästerlichen Excesse französischer gefangener Soldaten in der Kathedrale von Orleans that, daß auf die religiöse Erziehung deS französischen Volke» so viel verwendet worden sei. Auf die religiöse Verdummung un» Verblendung, ja. WaS die religiöse Erziehung betrifft, so prolestiren dagegen die achtzig Knaben von LimogeS WaS gilt dagegen die Stimme eincs Bischof»? Ebensowenig wie die de- Bischof» von Grenoble, der da» Wasser de la Salelte in seiner Diöcesc als Wundcrheilquelle empfiehlt, wenn er aber selbst krank ist, nicht dazu seine Zuflucht nimmt, sondern in die Bäder von Vichy geht. Bekanntlich erschien dort vor einigen und zwanzig Jahren auf einem wüsten Berge die heilige Jungfrau ein paar Hirtenkindern; zwei ehrenwerthe Priester, Bekenner der Wahrheit, klagten zwar eine alte Jungfer zu Grenoble de« frommen Betrug- an und Niemand hat die Beiten, selbst vor Gericht, falscher Aussage überführen können. Aber die Erscheinung stimmte so schön mit den „Zeichen der Zeit" zusammen, daß die Priesterschast sie sofort auSteulete; nun hat sich dort ein Pracht volle- MissionSgebäude mit dito Kirche erhoben, zahlreiche Wallfahrer strömen zu Notre Dame de la Salette, Gasthöse sind nölhig geworden in Bergschluchteu, wo sich sonst kein lebende-Wesen sehcn ließ und die von diesem Schwindel lebende Bevölkerung hat natürlich jetzt ihr Interesse daran, den Aberglauben festzuhalten. ES ist da« alte Wechselspiel von Betrogenen und Betrügern. Ein Eeitenstück dazu erlebte ich in der Bretagne. In dem Dorfe SallS nahe am Meere (Loire mshrieure) hatte der Pfarrer sich und seiner Psarre dadurch aus die Beine Helsen wollen, daß er der erwähnten Notre Dame de la Salette eine Capelle errichten ließ, worin ein tiefe« Becken voll de« heiligen Wasser- auS der DauphinL stand. Er hatte den Bau größlenthcilS aus Credit erbauen lassen, auf die z» erwartenden Wallfahrten auS der gläubigen Bretagne rechnend, die dereinst die Kosten schon decken würden. Die Kapelle war aber noch nicht fertig, als ihm ein geist licher Eoncurrent schon den Ruin brachte. In dem nahen Städtchen GuLrande stand eine alte schöne kirchenartige Capelle seit langen Jahren unbenutzt und vrohte zu verfallen; ein junger unternehmendrr Priester nahm sich de« archileklonischen Kunstwerks an, erhielt die Erlaubniß zur Restaurirung, die Betschwestern und der legitimistische Adel der Stadt steuerten reichlich bei und plötzlich eines Morq-rS eröffnet« der junge Abb6 die schöne durch ihre Glasmalereien verlockende Capelle unter der Vocabel von Notre Dame de la Salette. WaS vermochte dagegen daS Capellchen unten in der Ebene? der arme Dorspfarrer war durch diese Concurrenz der reichen Stadt-Dame ruinirt, von allen Seiten liefen nun die Rechnungen ein, und daS Ende vom Liede war da. Solche Sachen passircn nun in dem Vatcrlande PaScal'S und Voltaire'-. Sie sehen also, zwei felnder Herr Correspondent, die katholischen Prie ster aller Kreise arbeiten hier den Jesuiten in die Hände. Warum kenn nicht? Wenn der Staat die Jesuiten einmal duldet, obgleich sie gesetzlich au-gewiesen sind, so ist Alle« möglich. D«S Gesetz verbietet den Fronleichnam-- und anderen Processionrn in denjenigen Städten durch die Straßen zu ziehen, in welchen eine protestan tische Consistorialkirche besteht. DaS Gesetz ver bietet eS, aber die Sitte erlaubt es und der Staat bestraft nicht. Alljährlich berichtet der republi kanische kiiarv «io la I^oiro in Nantes: „Letzten Sonntag ist die FronleichnamSprocession dem x Paragraphen :c. zuwider durch die Straßen von Nantes gezogen." Die katholische Geistlich kett Archt ihn und da- Gesetz auS und der Staat läßt lachen. WaS den französischen Protestantismus betrifft, so liegt nun srellich die geistige Wiedergeburt Frankreichs nicht in ihm. Ich habe seine Ge schichte in der Stadt Nantes, wo daS bckannte Toleranzedict erlassen wurde, gründlich studirt, darüber auch (ich habe meine theologischen Stu dien absolvirt) mit meinem verstorbenen Professor der Kircdengeschichte, Nicdner, correspondirt und seine Ohnmacht begriffen. ES gab eine Zeit, wo Frankreich durch ihn zu retten mar; hätte eS die Stimme de- 16. Jahrhunderts verstanden, es wäre vielleicht wirklich die erste Macht Europa'» geworden, eS hat aber eben daS volle Verständniß der historischen Gesetze nicht gehabt und deshalb muß c- jetzt den Rang an Deutschland abtreten. ES gibt in Frankreich nicht zwei Millionen Protestanten und der mächtigste Theil davon ist streng orthodox, möchte lieber mit dem Katho- liciSmus sich vertragen als mit der liberalen Rich lung der resormirten Kirche. Der orthodoxen Partei gehörte der Minister Guizot an, der in den Tagen de« SonderbundeS in der Schweiz die Jesuiten begünstigte. Und noch in der jüngsten >eit opferte der Minister Chabaud-Latour, ein rotestant, die Interessen der protestantischen irche dem katholischen Kleru» auf. So könnte ich Stunden lang erzählen, um meinen Zweifler zu beruhigen, ich habe eben meine Beobachtung auf allen Gebieten angcstellt. Auch in ein Trappistcnkloster, la Lloillei-a^o bei Nantes, habe ich mich Tage und Nächte lang eingrsperrt, um dcn Anblick diese« moralischen Selbstmorde« auf mich wirken zu lassen. Was ich hier gesehen, gehört zum Theil in einen Roman, die Schauer deS Tore« durchrieseln unS bei dem Namen La Trappe, und doch auch hier schleicht sich die klein lichste Eitelkeit, die der Toilette, ein. Ich suchte den Abt de» Klosters auf. Selten sah ich ein so feierlich schöne» Antlitz wie diese». Aber wie waren auch alle kleinen Kunstgriffe deS Rasir- meffcrS benutzt worden, um die priesterliche Feier lichkeit und die mönchische Verzückung mit der weltlichen Eleganz zu verschmelzen. Alt, ich später in der Touraine war, habe ich eS auch nicht versäumt, den Ort zu besuchen, wo ein schrecklicheSEreigniß die Sinnes änderung de? Wollüst ling» de Rancb herbeisührte, der in Folge davon dem Trappistcnorben die fürchterliche Richtung gab. De Ranctz liebte die Frau von Monlbazon, die ihm den Schlüssel zu ihren Gemächern gegeben hatte. Nach einer längern Reise gedenkt er sie zu Überraschen, er schleicht sich heimlich in» Schloß, in ihr Gemach. Mit Entsetzen bleibt er in der geöffneten Thür stehen, vor ihm gähnt ein Sarg und in dem Sarg liegt seine Geliebte, den vom Rumpfe getrennten Kops in den Händen haltend. Der Sarg war zu kurz gewesen und man hatte in der Eile den Kopf abschneiden müssen. Die Geschichte ist später in Zweifel gezogen worden, wurde mir aber vor zehn Jahren von einem jungen Gelehrten, mit dem ich lange befreundet war und der später im Seminar 8t. Sulpice zu Paris in den Priesterstand trat, als historisch verbürgt. Nun, si non 6 voro, ö den trovacio. Aus den Ruinen de» Schlosses Montbazon aber, südlich von TourS, steht jetzt eine vergoldete Riesenstatue der heil. Jungfrau. ES herrschte vor zwanzig Jahren in Frankreich da» Fieber, überall der Mutter Gotte» Riesenstaturn zu er richten. Die größte sah ich in Le Puy m den Sevennen aus einem hohen die Stadt überra genden Felsen aufstellen. Napoleon III. hatte bei AuSbruch deS Krimkriegeö im Fall de« Sieges von den erbeuteten Kanonen die Bronze zu der Etatne versprochen, und als Sewastopol fiel, sagten dce Priester, c» sei die« durch die Einwir- r'ung der heil. Jungfrau geschehen, die ihre Bild säule hätte haben wollen! Zum Schluß roch eine heitere Geschichte, die ich auch erlebt habe. In einem kleinen städtischen Gnmnasium der Bretagne sollte sich ein Gymna siast zum MaturitätSexamen stellen. Der arme Mensch war nicht sehr begabt, im Gegentheil, dazu noch sehr faul gewesen; indessen, wer weist, vielleicht geschieht ein Wunder. „Hören Sie ein mal, sagte die gutherzige alte Mutter de« Direktor« zu dem zitternden Abiturienten, in der Schul capelle liegt der Abbö T, einer unserer früheren Almosenicre (Geistlicher der Schule) begraben, an bcssen Grabe sind schon manchmal Wunder geschehen, wir wollen doch morgen früh während de« Examens zwei geweihte Kerzen dort brennen, vielleicht thut der Verstorbene Etwas für Sie " So geschah'«, ich habe die Kerzen brennen sehen, sie brannten hell und lustig; aber in dem Kopse deS armen Examinanden war'S finstere Nacht. Der gute Abbü that kein Wunder und der Exami nand fiel durch. All meine Studien und Erfahrungen habe ich dann im Lande selbst mit gebildeten Männern gründlich durchsprocben. Oft noch in der Mitter- Nachtstunde bin ich in dcn Sevennen mit College» hoch oben aus den Kratern erloschener Vulkane in ernstem Gespräche gewandelt. Der Eine, ein Kmd der Auvergne wie PaScal, verband auf richtige Gläubigkeit mit mathematischer Bildung; der Andere, Pariser Stadtkind, ein Voltairianer, ein Dritter wieder in frommem Wahn befangen. Wenn dann im Thal da» Klostcrglöckchen die Clarissinnen zur nächtigen Andacht weckte (denn eS wird in den Klöstern, trotz der Aergcrnisse, die hier und da bekannt werden, diese Selbst- tödtung noch gewissenhaft ernst genommen), dann erinnerte un» der Letztere an die Aufopferung der frommen Nonnen, die jetzt vor Gott des Guten mehr thäten, da» Andere zu wenig thun ; der Voltairianer aber wies auf daS nahe dabei liegende Jesuitengebäudc hin und blieS die frommen Illusionen spöttelnd hinweg, während der Mathematiker, der Verehrer PaScal'S, den echten Gehalt der Religion zu begründen suchte, woraus dann der deutsche Protestant gegen alle drei in die Schranken trat. In solchen Momenten und in solcher Umgebung tritt dem Forscher der Gedanke an den Ernst deS Lebens, an die Ewigkeit feier licher vor die Seele als in dcn Hörsälen der Professoren der Dogmatik, in denen ich doch auch gesessen bin. Ich habe mich aber nicht begnügt, nur au» Büchern zu lernen, sondern bin auch in die reichere Schule de» Lebens gegangen. Wurden doch die Griechen nach Herwcgh'S Worten vom Spazierengehen und von der .Lust gescheidt, noch ehe die thatlose W'iSheit de» Alexandrinerthums erfunden worden war. Nicht jeder Lehrer ist auch ein Bekenner der Wahrheit. AuS all dem Gesagten werden Sie aber ersehen, geehrter Herr Zweifler, daß ich nicht der Mann bin, dem man Etwa» weiß machen kann. Wie der ehrenwerthe Le Maistre hat auch ein deutscher Katholik, I)r. Leander van Eß, Professor in Marburg, da» N. T. übersetzt und die betreffende Stelle in dem Briese an Timotheus ebenfalls getreu wiedergegeben. Die zweite Auslage der Uebersetzung, Sulzbach 1820, liegt vor mir. Doch ist diese Auslage schon dem Gebote deS Papste« zuwider erschienen, welcher untersagt hatte die Uebersetzung fernerhin drucken zu lassen. Die Moral davon will ich im nächsten Briefe ziehen Herman Semmig. Neues Theater. Leipzig, 18 Juli. In Goethe'- „Egmont" spielte Herr Dettmer die Titelrolle mit edler Rcpräsentation und in dem heldenhaften Auf schwung im letzten Acte mit hinreißender Kraft. Herr Dettmer ist, jedenfalls durch seine glänzenden Mittel unterstützt, einer der ersten Heloenspieler der deutschen Bühne; er wahrt den edlen Grunv- ton deS Vortrag- und fällt nirgend« in da« Ueberstürzte vnd Forcirte. Die Leichtigkeit und lebensfrohe Grazie de- niederländischen Helden hatte Herr Deitmer nicht versäumt in seinem
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