Suche löschen...
Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 26.11.1874
- Erscheinungsdatum
- 1874-11-26
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-187411263
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18741126
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18741126
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Saxonica
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1874
-
Monat
1874-11
- Tag 1874-11-26
-
Monat
1874-11
-
Jahr
1874
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 26.11.1874
- Autor
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Proceß läßt sichj noch »»il'Mauchem autkcmmrn, ß bei den« mündlichen Verfahren aber ist eine viel strengere Auswahl nöthig. (Sehr wahr!) Dieser Frage können wir unS also bei der GerichtSor- ganifation nicht entschlagen. Ebenso stellt e» sich mit der Advocalur. Jetzt schreiben Sie Advocatenzwang vor, da müsien Sie doch fragen, ob es auch so viel Advocaten giebt, ob sie Garantie dafür bieten, daß sie die geeigneten Leute sind. Der Advocatenzwang ist gar nicht vereinbar mit dem Advocatenmangel. (Sehr richtig!) ES wird, um ein gute- Verhält- Niß zwischen Richter und Bdvocat herzustellen, wie e< in Preußen besteht, nöthig sein, dafür zu sorgen, daß bei der Ernennung von Richtern aus die Advocaten recurrirt wird; dann weiß der Advocat, daß er zu dem gesammten Gerichts personal gehört. Dazu gehört aber auch, daß von beiden die gleiche Vorbildung gefordert wird; und endlich ist d»e freie Avvocatur nicht denkbar ohne eine 'sehr strenge Di-eiplinarordnuna. Bet der Rezulirung de» Verhältnisse- de- Richterstande» kan» ich mir denken, daß einzelne Staaten Schwierigkeiten macken. Bei der Advocalur ist Da» aber ander«. Man wartet geradezu auf eine deutsch« Advocaturordnung. Preußen ist ja eben dabei, eine solche für sich »u machen; wo liegen dann die Schwieriakeiten für da» Reich? E» kommt dazu noch die Inkonsequenz in den Be» stimmunge« über da» Alter, da- zur AnstellungS- sähiakett a« den höchsten Gerichten berechtigt. Wichtiger aber ist ein« andere Frage. Im Einzelstarte habe ich stet» den Grundsatz sestge- halten, daß keine Organisation brauchbar ist. die nicht ^ne sehr bedeutende Verminderung der Zahl der Richter vnd eine sehr bedeutende Erhöhung de» Gehalt« derselben zur Folge hat. Und diese Frage ist nicht blo» eine äußerliche, sondern sie betrifft den Kern der Sache. Wenn e« sachgemäß »ft, die Richter au» der Zahl bereit» bewährter Advokaten zu ernennen und nicht umgekehrt, die Richter in späteren Lebensjahren au« Roth zu Advocaten zu machen, so wird man darum be dacht sein müssen, daß ein Advocat, der mit 40 bi» 50 Jahren etwa zum Richter gemacht wird, auch eine entsprechende Entschädigung dafür erhält Jetzt sehen wir umgekehrt viele den Rlchterstand ver lasse», um eine lohnendere Beschäftigung zu suchen. Die Besorgnisse nun, daß da» gegenwärtige Orga- nisationSgesetz die Zahl der Richter nicht genügend vermindere, scheinen ihre Begründung in dem Proceßversahren zu finden und zwar 1) in der Berufung im Civrlproceß, 2) in dem Fünfmänner» coüegin« der Oberlandsgerichte und 3) in dem Füusmännercollegium im Strasproceß. DaS Collegium bietet ja dem Angeklagten größeren Schutz, aber ist denn zum Zweck de« Schuld, spruche» ein Collegium von 5 Richtern nöthig? Dazu ist da» Richtermaterial zu kostbar, lind diese 5 Richter sind für Da-, wa» sie zu thun haben, nicht nur ein Luxus, sondern sie stören auch die übrige Organisation. Ebenso verhält cs sich mit den 5 Richtern zweiter Instanz, den ..höher» Richtern". Ich beklage e» tief, daß überhaupt im Rickterstand dieser Begriff „höherer" und „niederer" Richter eingebürgert worden ist. (Zustimmung.) In Preußen ist dabei die Ver setzung in den höheren Grad der Weisheit noch mit einer Gehalt-Verschlechterung verbunden. Die Voraussetzungen de» Ganzen sind nun die Garantien für eine unabhängige und sorgfältige Rechtspflege. Davon enthält unser Entwurf aber gar Nickt«. Nicht einmal die Richtersetzbar keit wcrd dem Richter garantirt. Die DeputatwnS- und Commission-wesen sind nicht verboten. In Bezug auf die Rechtsmittel macht der Entwurf allerdings außerordentliche Fortschritte. Unstatt haft aber erscheint mir da» Aufgeben der Revision. Außerdem muß aber jeder Richter wissen, daß er fortwährend unter der Control« de« öffentlichen Gewissen» steht und zwar in jedem Stadium sei ner Thätiakeit. Die RechtSeinheit. welche cm Reichsgericht auaedeutet liegt, wird aber ganz illusorisch durch den tz. 7 de» EinführungSgefetze». Bei all« Anerkennung also der Leistungen der Urheber de» Entwurf» werden wir doch noch sehr ernstlich darüber zu berathen haben, damit wir nicht mit der RechtSeinheit eine RecbtSverschleck terung bekommen. (Lebhafter Beifall.) Justizmimster vr Leonhardt erwidert dem Lbg. LaSker, daß Artikel 4 der Verfassung die Organisation ausdrücklich von der Cowpetenz des Richter« au-schließe. A ba . Vr. Schwarze (Sacksen). Derselbe bebt zunächst hervor, daß die Meinungen nur in Bezug auf dtstResorm de» Strasversahren« auseinander gehen,^während die Frage über die Regelung de« Civilversahren» bereit» vollständig abgeschlossen sei. Auch er (Redner) habe in dem Entwürfe Viele» ander» gewünscht, indeß möchte er dock davor warnen, zu weit zu gehen. Er wolle da her nur auf drei Pnncte aufmerksam macken, von denen der erste sich auf die Construirung der Be hörden in Strafsachen bezieh«. Dem größten Theilr de» Hause» sei bekannt, wie er in der Commission der Sache gegenüber gestanden, eben so sei böcaWt. daß die Commission de» BundeS- rath» die Schöffen statt der Schwurgerichte vorgeschlagen hatte. Er wolle nun nicht un bedingt für die Schöffengerichte eintreten, viel mehr Wge er sich der Majorität, aber er inüpse daran die Hoffnung, daß der ReichSta vie weiter gehenden Vorschläge de» Entwur nicht acceptiren und die Schwurgerichte nur für die schwersten verbreche« beibehalten, für die Mittelchassen der verbrechen sich aber mit den Schöffengerichten einverstanden erklären werde. Die gegen d»e Schöffen erhobenen Einwebungen Halle er nicht für stichhaltig. Der zweite Punct beziehe sich aus die Stellung der Verteidigung, der er einen großen Spielraum einqeräumt wissen wolle, und der dritte Punct aus die Stellung der Staatsanwaltschaft, die im Dienste der Gerech tigkeit^ stehe und die mau deshalb mit solchen Be fugnissen auSstattcn muffe. daß c« ihr auch mög- E lich sei, die Wahrheit zu crmitteln. Redner bofft, daß in der Commission möglich sein werde, über alle noch aukeinandergehenden Meinungen eine Verständigung hcrbeizusühren. Abg. vr. Windthorst: Der vorliegende Ent wurf ist ein solcher, bei dem glücklicherweise der Parteistandpunct mehr oder minder verschwindet, so daß Jeder mit einer besonderen Freudigkeit an vie Arbeit herantreten kann. Wenn ich die Vor lage vergleiche mit dem Zustande, wie die Rechts frage überhaupt gegenwärtig in Deutschland existirt, so bin ich der Meinung, daß, wenn die orloge, so wie sie ist, angenommen würde, im Großen und Ganzen sckon ein entschiedener Fort, schritt zu constatiren wäre. Die Vorlage ist mit' zroßem Ernste und Fleiße bearbeitet und bcson- )er» die Civilordnung ist nach Inhalt und Form eine ganz ausgezeichnete Arbeit. Die Criminal- proceßordnung enthält dagegen manche Mängel und ist deshalb für mich in der vorliegenden Form unannehmbar. Wa« nun die Gerichtsverfassung an langt, so kann ich mich bei Beurtheilung derselben mgi nicht aufden Gtandpunct de» Abg. LaSkerstellen. Ich Haube, wenn wir diesen Standpunct in Bezug auf die yerichtSorganisation festhalten wollten, wir un» die Arbeit überhaupt sparen könnten. Denn heute sind die Einzelstaaten noch so stark, um Derartige- sich nicht gefallen lasten zu dürfen. Der Abg. LaSker bat sogar schon sem Bedauern darüber ausge sprochen, daß nicht eine Centralleitung im Reiche vorhanden ist. Und er hat Recht von seinem Standpunct, denn alle seine Argumente führen dahin, daß wir die Erziehung und Anstellung der Richter centralisiren. Ich meine- Theil« habe den Herren Ministern der Einzelstaaten wiederholt ge sagt, sie dürften nickt zu weit gehen, die Herren haben aber nickt gehört. (Heiterkeit.) Wa« der Abg. LaSker will, ist der Einheitsstaat, und wenn ein solcher auch im Princip bereit» vorhanden ist, zesetzlich besteht er noch nicht und wir machen deshalb eine Gerichtsverfassung für einen Bundes staat. Daran müssen wir festhalten, um nicht auf Irrwege zu gelangen. ES läßt sich nicht leugnen, daß eS wünschenSwerth ist, feste Normen in Bezug auf die Anstellung der Richter aufzustellen, aber so 'S sie Justnm ich bezweifeln, ob wir zur Zeit nock Richter haben, wie wir sie früher in Deutschland gehabt haben. DaS ist eine Frage, die sehr ernsthaft zu diScutiren sein wird, denn ich bin der Meinung, daß wir dieselbe frei halten sollten von der Theil- nahme an der DiScussion der öffentlichen Dinge, d. h. sie ausschließen von der Theilnahme an öffentlichen Angelegenheiten. Richter, die mitten im Parteigetriebe stehen, können unmöglich die Unbefangenheit bewahren, welche sie besitzen müsien. Ich w ll ferner die AhanccmentSver- hältnisse so geordnet wissen, daß der Justiz minister darauf gar keinen Einfluß hat, daß den, Richter kein Orden ertheilt (Heiterkeit!) und daß ihm niemals ein anderer Titel gewährt wird rü der, welcher mit dem Amte verbunden ist. Auch der Advocatenstand ist für einen guten Richter stand von großer Bedeutung und eS wäre daher wünschenSwerth, daß jeder Richter wenigsten« eine Zeit lang die Advocalur betriebe. Im Uebrigen bin ich für freie Advocalur, der ich unbedingt da« Wort rede. Alle diese Dinge können aber meiner Ansicht nach von den Einzelstaaten ebenso gut erfüllt werden, denn Semmeln werden überall gebacken (Heiterkeit) und überall in Deutschland ,st so viel verstand, daß man Dasjenige. waS nothwendig ist, auch machen wird, ohne eS vom Reiche octroyiren zu lasten. — Wir werden allerdings ein erhöhte» Budget durch die neue Organisation erhalten. Charakte ristisch für einen wohlgeordneten Staat ist, daß er eine wohlgeordnete Justiz hat, und eine solche kann man nicht theuer genug bezahlen. WaS der Richterstand mehr kostet, können wir sehr gut am Reichs - Militärbudget sparen. Ich denke übrigen», Deutschland wird reich genug sein, um eine gute Justiz bezahlen zu können Redner erklärt sich demnächst gegen die Heranziehung de» LaienelementS sür die zweite Instanz, ebenso für Beibehaltung dieser Instanzen für Civil» wie auch für Criminalsachen. Warum soll ^daS Ge richt nicht mehrere Berathungen haben, habe doch Schwarze zum ersten Male einen solchen idealen Staat-anwalt gefunden (Heiterkeit), denn e- geht über de- Menschen -rast yinau», DaS zu leisten, wa» der Abg. Schwarze vom Staat-anwalt ver langt; und wenn ich sehe, daß in einem großen deutschen Staate die Staatsanwälte geradezu ge hetzt werden zur Verfolgung, dann haben wir alle Ursache un» zu fragen, ob wir diese» Institut beibehalten wollen. Die Stellung de» Staats anwalt- im gegenwärtigen Processe ist mit der Freiheit absolut unvereinbar. Sehr gut.) Nicht einverstanden bin ich mit den, Reichsgericht, denn zur RechtSeinheit wird dasselbe, wie eS hier con- siruirt ist, unter keinen Umständen führen können. Niemals würde ich aber dafür stimmen, daß da» Reichsgericht in Berlin etablirt würde, so lange die ReickSregierung hier ihren Sitz hat Nun enthält die Vorlage noch einige Bestilw »nungen. welche ich al« revolutionair bezeichnen muß. Dahin gehört die einfache Beseitigung der standesherrlichen und Patrimonial-GericktSbarkeit, dahin gehört die Beseitigung der geistlichen Ge richtsbarkeit. (Aha!) Der Eingriff ,st rücksichtSlol und ohne die bestehenden Verhältnisse in Betracht zu ziehen geschehen. Weitere Be ich mir vor. Sech» BertaaungSan träge liegen vor. DaS Hau» beschließt, sich z» vertagen. — Schluß 4 Nhr Nächste Sitzung: Mittwoch II Uhr. Tage» ordnung: Fortsetzung der heutige«. >- .u>O> Tagrsgeschichtliche lleberlicht. Einzelne Zeitungen macken sich ein Vergnügen daraus, angeblich au» der Mitte der national- iberalen Fraktion hervorgegangene Corre- Pondenzen zu veröffentlichen, in welchen erzählt wird, daß auS Anlaß der Vorkommnisse in der Reichslagssitzung vom l8 November, cn der Frac» tionSsitzung vom 19. November „stürmische Vor gänge" stattgesunden haben; e« ist daran nicht» Wahre» Die national-liberale Fraction ist, wie die« nur natürlich war, zusammenberufen worden, um die bekannten Vorkommnisse in jener Reich«- agSsitzung zu besprechen. E« sind dabei von vcr- chiedenen Seiten Erklärungen abgegeben worden, welche geeignet waren, darüber Gewißheit zu verschaffen, daß die Absicht, irgend einem Partei genossen persönlich zu nahe zu treten, auskeiner Seite »eftanden hat Man hak ferner die Ueberzeugung gewonnen, daß e» sür die parlamentarische Wirk- amkeit und für den Einfluß der Fraction im Reichstage vortheilhafter sec. wenn durch eine ressere Geschäftsordnung der Fraction dafür ge- örat wird, daß ähnliche Vorkommnisse sich in Zukunst nicht wiederholen. Wenn in Folge der Vorkommnisse in der Reichstags-Sitzung vom 18. November der Abg. vr. Beseler sich ver anlaßt gesehen hat. seinen Austritt au« der na tional-liberalen Fraction zu erklären, so hat er die Entschließung dazu in vollster Ruhe und in politischer Würdigung der Bedingungen gefaßt, unter denen allein das verbleiben in einer Frac tion sür die Wirksamkeit sowohl de» einzelnen Mitglied««, wie der Fraction selber ersprießlich ist. Herr Prof. Beseler wird, ganz abgesehen von seiner politischen Wirksamkeit und Partei- tellung, auch nach seinem Ausscheiden au« der hraction sortfahren, sich der höchsten persönlichen Achtung bei seinen früheren FractionS-Genossen zu erfreuen. Die Fischzuchtanstalt in Hüningeu er- ordcrt, wie immer, so auch im nächsten Jahre wieder einen bedeutenden Zuschuß au« der LandeScassc; da aber die Vorthelle der Anstalt nur theilweise dem Reichslande selbst zu Gute kommen, so tritt die Nothwendigkeit ein. daß da« Reich dem Lande Lrsatz leist«. ES werden an Deutsche, welche Elsaß-Lothringen nicht augehören, angebrütete Eier z u bedeutend ermäßigten Preisen verkauft, z. B. salmonideneier anstatt mit 12 Mark per Tausend chon mit 5 Mark, außerdem aber werden auch Tausende von jungen Edelfischen jährlich in den Khein und dessen Nebenflüsse auSgesetzt, waS natürlich sämmtlichen Rheinuferstaaten zu Gute ommt. Für 300,000 solcher Fische, welche jährlich in den Rhein auSgesetzt werden, zahlt da» Reich an die Anstalt 14.400 Mark. Ferner entschädigt da« Reich die Anstalt für die Ueberlassung vou einer Million junger Fische an deutsche Abnehmer zu ermäßigten Preisen mit 7000 Mark. In thüringischen Blättern findet sich eine be deutungsvolle Nachricht. Die kleine katholische Nemcinde in Arnstadt hat nämlich, nachdem der bisherige Geistliche versetzt worden, einen neuen Seelsorger erhalten, für dessen Anstellung jedoch die vorschriftsmäßige Genehmigung der fürstlichen Regierung von Schwarzburg-Son- derShausen vom BiSthumSverweser in Paderborn eingeholt worden ist. Natürlich hat die fürstliche Regierung keinen Augenblick angestanden, die nach gesuchte Genehmigung zu ertheilen. Daß hier ein ähnliche« Abkommen wie mit Oldenburg vor liege, ist zu bezweifeln; bezeichnend ist es >eden- fall», daß da« herrschsüchtige Rom den Kleinstaaten ein Recht zugesteht, welche» man dem mächtigen Preußen mit Hartnäckigkeit zu verweigern beliebt. Der Papst empfing vor einigen Tagen den Bischof Lachat von Basel. Al» Dieser in- Zimmer trat, erhob sich Pius flugS von seinem Sitz und eilte ihm entgegen, drückte ihn an« Herz und sagte: „Sekt dö, ein verbannter Bischof, derben gefangenen Papst besucht." Jedenfalls sehr melo dramatisch. Eine Nachricht von zweifelhafter Wichtigkeit haben wir noch mitzuthcilen. Die englischen Bischöfe sollen nach dem „Pvpolo Romano" der Curie die Erklärung abgegeben haben, daß sie nicht den Fußstapsen der'deutschen und italienischen Bischöfe folgen, daß sie sich die volle Actionsfreiheit wahren müßten. Sie dürsten den Staatsgesetzen den Gehorsam nicht verweigern und mühten „Rücksicht nehmen aus den englischen BolkScharakter und die politischen Verhältnisse England«." Und kio >ouo soll sich diesen Vorstellungen gefügt haben. Wir müssen die Bestätigung dieser Nachricht abwarten. Ganz unmöglich ist e« übrigen» nicht, daß Rom, um den Klrchenkampf in Deutschland zu isoliren, sich zu in jedem Momente widerrufbaren Scheinzuge, ständnissen in andern Ländern herbeiließe. Auch gegenüber Oesterreich wird eine ähnliche Haltung beobachtet, die freilich durch die unerloschene Con- rordatSsürcktigkeit der dortigen Regierungskreise wesentlich erleichtert erscheint. Im Vatikan herrscht große Freude über die Doppelwahl Garibaldi'» in der Haupt stadt; die Klerikalen äußern ihre Genugthuung darüber in noch lebhafterer Weise al» die Gari- baldianer selbst. Sollten aber ihre Hoffnungen in Erfüllung gehen und da- Ministerium Minghetti gestürzt und durch ein noch liberalere» ersetzt werden, so dürfte sich die Jesuitenpartei doch ge täuscht sehen, denn die Freiheiten, nach denen sick Cardinal Antovelli sehnt, würde auch ein radicalet Ministerium nicht bringen können. Der Cardinal hat nämlich die Zeit von 1870 bi» 1874 dazu benutzt, um unter dem Deckmantel de» Garantre- gesetze» sich zum sünfzehnfachen Millionair zu machen. Die Handelsfreiheit, die unter dem jetzigen Ministerium verbürgt war, würde ihm durch ein Ministerium der Linken sofort entzogen werden und er würde aller Wahrscheinlichkeit «ach de« Verlust so mancher Million veklage« müsse«. In cincm Privatbriese au« London vom 2V. No vember hecßt e» u. A : „Hast Du Gladstone 'S neueste Schrift gegen die Römisch-Katholischen gelesen ? Dieselbe hat zunächst die Folge gehabt, daß bereit» eine Anzahl erwlifcher Adliger, sowie andere bekannte katholische Männer in den Zeitungen erklärt haben, sie seien gewiß gute Katholiken, aber die vom Papste angemaßte Unfehlbarkeit 'ei etwa« Neue« für sic, daher mach bindend; sie eien unter allen Umständen vor Allen, Engländer und dann erst Katholiken. Gladstone'S Schrift, meine ich, würde viel größeren Effect gomacht 'aben, wenn nicht sein frühere-Rom freundliches lustreten ihn, da« Vertrauen vieler seiner LandS- eute entzogen hätte. Uebrigen« bleiben die Häupter der englisch-katholischen Hierarchie nach wie vor triumphirend. und ich glaube, es wäre an der Zeit, ihren Bestrebungen einen tüchtigen Damm entgegenzustellen, bevor die Priesterschast im Stande ist, unabsehbare« Unheil anzurichten. Wenn sich nur Deutschland nicht bange machen läßt, sondern energisch aus der betretenen Bahn weiterschreidn! * Sitzung des Schreberverems der „Weüvorstadt." V—8. Leimig, 25. November. Die gestrige Sitzung des Schreberverein» der Westvorstadt er- öffnete der Vorsitzende mit der etwa« traurigen aber dock — wie er sagte — auch wieder be ruhigenden Mittheiluna, daß der Schreberplatz. nach einem Jahre verlassen werden müsset daß aber der Rath dem Verein auch schon einen neuen Platz gütigst gewährt habe, welcher zur Linsen der ?lndenauer Straße liege und von dem bereit» ein Plan da sei, den die Mitglieder in Augenschein nehmen könnten. Nachdem man sich am diesen, Plane einigermaßen orientirt hatte, erhielt Lehrer Ferd. Schneider da« Wort zu seinem Bortrage Iber die Geduld. Davon ausgehend, daß der Begriff der Geduld in den Köpfen der Menschen nicht so klar sei, wie der anderer Tugenden, zeHle er zuerst, worin dieselbe bestehe. Nachemer eingehenden Schilderung der activen und passiven Seile der Geduld kam er zu dem Resultate, daß diese Tugend nicht« Anderes sei, al» da» aus Selbstbeherrschung hervorgegaugene Vermögen, dieMühen, Lasten undLerdcn de« Leben« zu ertragen. Er wie« dabei aus ihren Segen hin, und auf da« verschiedene Aus» treten derselben in weiblichen und männlicher» Kreisen. Im zweiten Theilc seiner Rede zeigte er, wie beim W.erke der Erziehung die Neduld zur Geltung zu kommen habe. Ein Blick aus die Schwierigkeiten in der Erziehung, auf die Anforderungen an da» Kind, lehrte, »vre gerade der Erzieher da» geduldige Harre« als nothwendige Eigenschaft brauche, und al- tiefster Grund desselben wurde die Liebe bezeichnet. Ar- letzt widmete der Redner den drei Richtungen: der Sinderinuhmenackuld — der Vater- und der Lehrergeduld einige Betrachtungen und schloß daun mit der Mahnung, daß man sich in allen Ver hältnissen den rechten Quell dcr Geduld, die Liebe wahren inöge. Allgemeiner Beifall, welchem auch noch der Dank des Vorsitzenden folgte, loyale den Redner. Der Vorsitzende de« Schreber verein 8 der Südvorstadt Herr Uhlmann, sowie der Direktor der 4 Bürgerschule vr. Zimmern,ann wurden von vr. Smitt mit herzlichen Worten >egrüßt und erwiederten den Gruß mit Dank. Lbenso richtete vr. Förster, dessen baldiges Scheiden au« dem Verein (er ist zun, Schuldirecwr in Falkenstein ernannt) lebhaft bedauert wurde, einige Abschiedsworte an den Verein, dem er so manche schöne und erhebende Stunde verdanke und teni er stets ein treue- Andenken bewahren werde. Bei dcr daraus folgenden Debatte ergriff zuerst Lehrer Frey er da» Wort. Er stellte al» ganz besondere Grundlage sür die Geduld die Hoffnung hin, daß sowohl die natürliche Entwickelung des Kinde«, al» auch die ange wandten Mittel schließlich zu gutem Ziel führen würden. Dabei tadelte er den Mangel an Geduld bei Lehrern, sowie bei den Vätern und Müttern, welche letztere namentlich in höhere» Kreisen zu dem Ziehen der Blumen, zu dem Theater und andren Dingen wohl Zeit und Geduld hätten, aber die schönsten Blüthcn, die Seelen ihrer Kinder nicht leiten und pflegen könnten, und diese Pflege andern Leuten über ließen Ueberhaupt rügte er die Gleichgültigkeit gegen Erziehungssachcn. die sich namentlich auch in der Presse zeige. (DaS Tageblatt hätte der Redner doch wohl au-nehmen sollen, da dasselbe Erzieher — die übrigens doch immer reckt be denken sollten, daß sie einstmal» auch Kinder waren — ein Muster nehmen sollten. Lehrer Freyer kam noch einmal aus die falsche Geduld zurück, die man namentlich bei kleinen Kucken, anwende, indem man nicht daran denke, daß d»e Unarten mit den Kindern groß wachs« und keine „Taube vom Himmel" sie ih«-a nimmt. Nachdem noch Herr Hempel auf d»e Geduld m vcr- zweifelten ErziehungSsällen und Lehrer Gese ll aus die Erwerb,- da- der . hingedeutet wort noch manche interessante Beispiele und Ergänzungen (u. A. eine Petition an den Rath von 4 HülsSlchrern an der LhomaSschule um Unterstützung und Hülse gegen die rohen Schüler vom Jahre 17»l) zu seinem Bortrage. Eine Besprechung der Sckreberplatz-Augelegenheit bildete den Schlußstein der Versammlung.
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)