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Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 27.10.1874
- Erscheinungsdatum
- 1874-10-27
- Sprache
- Deutsch
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Public Domain Mark 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id453042023-187410279
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id453042023-18741027
- OAI-Identifier
- oai:de:slub-dresden:db:id-453042023-18741027
- Sammlungen
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Anzeiger
-
Jahr
1874
-
Monat
1874-10
- Tag 1874-10-27
-
Monat
1874-10
-
Jahr
1874
- Titel
- Leipziger Tageblatt und Anzeiger : 27.10.1874
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«T» in chottisch ot«I, lA«m« ^aevus; vessm»; «let«; »e» in lioßn Lücher, i reell- z> 2V, «Sk üuSwaljl äst ld siche« Lrl«», »««lall 1L1»»t ßZ» »»»«» »M»IaI «. LS. Erste Keilagk M Leipziger Tageblatt und Anzeiger. M »««. Dienstag den 27. Oktober 1874. Tagesgeschichtliche Ueberjicht. Der Hauptetat der Verwaltung des ReichSheereö für 1 875 liegt nun auch in einem Volumen von — 79 Druckbogen vor. An Einnahmen weist derselbe auf überhaupt 853,092 Mark, der vorige Etat setzt aus 228.603 M., mithin mehr 624,489. Davon entfallen aus Preußen 842,307, Sachsen 8385, Württemberg 2400 M. Die fortlaufenden Ausgaben betragen 272,495,822 M. Der vorige Etat setzt aus 232,354,170 M., mithin entsteht für 1875 eine Ausgabe-Erhöhung von 40.141,652 M. Von diesen Ausgaben hat zutragenPreußen240,635,673, Sachsen 17,996,259. Württemberg 13,863,890 M Die einmaligen Ausgaben belaufen sich ans 6,883.925 M. Der vorige Etat setzt aus 1,791,237 Mark, mithin mehr 5.092,688 Bl. Davon ent fallen aus Preußen 6,251,344, aus Sachsen 338,884, aus Württemberg 293,697 M. Die Gesammt- smnme der Ausgaben beträgt 320,469.449 M Der vorige Etat setzt aus 268,913,025 M., mit hin entsteht ein Mehr von 51,556,424 M. Die einmaligen außerordentlichen Ausgaben werden meist zum Bau von Kasernen und Erwerbung von Uebungsplätzen verlangt. Hervorgehoben seien folgende Positionen: Zur Gewährung von rxtraordinairen Competenzen an die Besatzungs truppen von Elsaß-Lothringen 597,003 und 110,766 M. mehr als für 1874. Zur Unter Weisung der Mannschaften des Bcurlaubtenstandes »n Gebrauch des neuen Gewehrs bezw. deS neuen Geschützes 2,122,921 M. Zur Erweiterung des Militanknaben-Erziehungsinstituts zu Annädurg 195,000 M- Zum Tcrrainankauf für ein Ge- sLngnißgcbäude in Spandau 30,000 M. Zum Ausbau und zur Ausstattung der vorhandenen Festunqs-Gefängnisse 195,000 M. Zum Bau eines Ingenieur-Dienstgebäudes in Berlin (vierte Rate) 225,000 M. Der beigegebencn Uebersicht der Etatsstärke des deutschen Heeres auf das Jahr 1875 sei Folgendes entnommen: Die Infan terie zählt 148 Regimenter, davon Preußen 115 Garde- und Linien-Infanterieregimenter, 1 zu 2 Bataillonen incl. 5 Unterofsicier- und 1 Mili- tairschießschule. Sachsen 9 Garde- und Linien- Infanterieregimenter und 1 Unterosficierschule Württemberg 8 Garde- und Linien-Infanterie regimenter und 1 Unterosficierschule. Bayern 16 Garde- und Linien-Infanterieregimenter und 1 Militairschießschule. Dazu kommen 26 Jäger Bataillone (mit je 14, 2 und 10 aus Preußen, Bayern und Sachsen) und 275 Landwehr-BezirkS- commandos. 93 Cavallerie-Regimenter, davon aus Preußen 73, Sachsen 6, Württemberg 4, Bayern 10. Artillerie: 36 Feld-Artillerieregi menter, 28 Preußen, 2 Sachsen, 2 Württemberg, 4 Bauern. 14 Fuß-Artillerieregimenter, 10 Preußen, Sacbsen und Württemberg je 1, Bayern 2. Pio nier: 18 Bataillone; Preußen 14, Sachsen und Württemberg je 1 und Bayern 2. Ebenso 14 Trainbataillone bei gleicher Vertheilung, 1 Eisen Hahn-Bataillon in Preußen, 1 Eisenbahn-Com pagnie in Bayern und eine Anzahl nicht rcgimen tirter Ossiciere. Das gesammte deutsche Heer zählt 17,221 Ossiciere, 18,086 Untcrosficiere, 7 41 Zahlmeister-Aspiranten, 5139 Spiclleute, dazu 7178 Gemeine, 327,898 Gefreite und Gemeine, 3183 Lazarethgchülsen, 9434 Oekonomie-Hand- werker, in Summe 401,659 Mann. Dazu 1673 Aerzte, 746 Zahlmeister, 612 Roßärzte, 61!» Büchsenmacher. 93 Sattler. Seit der Abreise des Stal tgcrichtsraths Pescatore nach Paris ist der Gerichts-Assessor v. Raumer mit der Untersuchung in der Arnim'schen Ange legenheit betraut worden, der sich zu den Ver nehmungen deS Verhafteten so wie zur Beiwoh nung der vom Untersuchungsrichter genehmigten Unterredungen nach der Charitä begiebt. Diese letzteren werden indessen nur sehr seilen bewilligt, auch ist der Frau und den Kindern deS Grasen seit dem kurz nach der Uebersührung desselben vom Molkenmarkt nach der CharitL stcittgchabten Wiedersehen Zutritt zu ihm nicht gestattet worden, während dem Bevollmächtigten des Grafen eine Besprechung mit diesem am Mittwoch bewilligt worden ist. Die Ucberwachung desselben ist eine sehr scharfe; nicht nur, daß derjenige Thcil des Corridors, auf welchen die Thüren der Zimmer des Verhafteten münden, durch einen Bretterver schlag abgeschlossen ist, so befinden sich auch hinter dem Verschlage zwei Schutzleute und ein Gesangcnwärter, während auf der Straße Schutz mannSpostcn stehen, um sowohl die Fenster der Zimmer deS Gefangenen zu beobachten wie auch zu verhüten, daß eine etwaige Verbindung nnt diesem von der Straße auS angcbahnt werde In den dringenden Verdacht einer solchen Absicht cerieth kürzlich ein eifriger Berichterstatter einer amerikanischen Zeitung, welcher, da eine Unter redung mit dem berühmten Gefangenen nicht möglich war, seinem phantasicreicben Bericht we nigstens einen Blick auf besten Gesicht zu Grunde legen wollte und seinem Fenster gegenüber stand haft Posto gefaßt hatte. Er mußte sich jedoch überzeugen, daß die „unveräußerlichen Menschen rechte eine» amerikanischen Bürger»", sich da hin- zusicllen, wo es ihm gutdünke, einem Berliner Schutzmann gegenüber gar keine Bedeutung zu lial^n schicnen. Dieser machte ihm die Noth Wendigkeit der Räumung seine» Posten» so un zweideutig klar, daß er ihn gar nicht mißverstehen Bericht " konnte. Vielleicht wird der Zwischenfall nur um so interessanter Wie die „N. L. Z." mittheilt, hat daS Ober tribunal jetzt über die Beschwerde! de» Grafen Harry Arnim weaen seiner Verhaftung ableb nend entschieden. Diejenigen Stimmen, welche die Nothwendigkeit einer Untersuchungshaft an zweifelten, werden sich nnn wohl wenigstens zu dem Eingeständniß bequemen müssen, daß erheb liche Gründe für die Anordnung und Aufrecht erhaltung der Untersuchungshaft sprechen. In Betrest deS auf Antrag der Abgg. Völk und Hinschlus vom Reichstage in der letzten Session angenommenen Gesetzentwurfs über die Beurkundung des Personenstandes und die Form der Eheschließung sind von den folgenden Regierungen: Preußen, Sachsen, Württemberg, Baden, Hessen, beide Mecklenburg, Anhalt, Schwarz- burg-Sonderohausen, Reust j. L, Lippe, Lübeck, Bremen, Hamburg und Lauenburg, sowie von der Centralverwaltung von Elsaß-Lothringen dem Reichskanzleramte sormulirte und mit den Motiven versehene Abänderungsvorschläge übersandt worden. Diese Vorschläge sind von den, Reichskanzleramt gleichzeitig mit dem vom Reichstage beschlossenen Entwurf übersichtlich zusammengcstellt und sollen nunmehr einer aus Mitgliedern des BundcsratheS zusammengesetzten Commission, behufs Aufstellung eines neuen Entwurfs, überwiesen werden. Man hofft, diese Angelegenheit noch derartig zu be schleunigen, daß dem Reichstage der neue Gesetz entwurf noch in dieser Session vorgelegt werden kann. Die „Spen. Ztg." schreibt: Verschiedene Blätter schreiben: „ES verlautet aus einer Quelle, welche Vertrauen verdient, daß der Präsident deS Oberkirchenraths Herrmann nahe daran ist, sich durch die Arbeitslast und noch mehr durch die Hemmungen und Widerwärtigkeiten, mit denen er zu kämpfen hat, für aufgerleben zu erklären und einen Nachfolger zu erbitten." Unseren Er kundigungen zufolge ist es unbegründet, baß Herr Präsident Herrmann nahe daran ist, einen Nach folger zu erbitten. aum ist daS Civilehegesetz in Preußen in Kraft getreten und schon wird die Klage laut, daß eS seine „entchristlichende" Wirkung durch die Thal bewähre. Es ist, soviel man hört, bei den bisherigen EheschließungSsällen in Berlin die kirch liche Trauung vielfach nicht nachgesucht worden; in einem Magdeburger Kirchspiele haben sich sogar von 23 Ehepaaren alle bis auf zwei mit dem Civilacte begnügt. Abgesehen von der allgemeinen Nutzanwendung, welche die Gegner des neuen Ge setzes von dieser Thatsache machen werden, wird sie, in Anbetracht deS Umstandes, daß es sich hier fast durchweg um Angehörige der ärmeren Elaste handelt, besonders zur Unterstützung der bereits bei der Bcrathung deS Gesetzes im Landtage ge stellten Forderung dienen müssen, die Gebühren für die kirchliche Trauung aufzuheben und den Geistlichen eine entsprechendeEntschädigung aus der Staatscastc zu gewähren. Jeder Unbefangene wird jedoch zugeben mästen, daß die bisher gemachten Erfahrungen noch durchaus nicht einen Maststab für die dauernden Wirkungen des Givilehcgesctzcs abgeben können. Es sind bekanntlich in den großen Städten sofort mit dem 1. Oktober vor den Standesbeamten eine große Anzahl von Nuptu rientenpaaren erschienen, die bisher im Concubinat gelebt hatten und jetzt von einer kirchlichen Trauung auS leicht begreiflichen Gründen absahen Andererseits ist der Andrang zur kirchlichen Trauung in der zweiten Halste deS September ein unver- hältnißmäßig großer gewesen. Der gegenwärtige Zustand ist also noch ganz abnorm und berechtigt nicht zu generellen Schlüssen. Daß die großen Bevölkerungsccntrcn, namentlich die Fabrikdistricte, immer einen erheblichen Proccntsatz nicht kirch lich eingescgnetcr Ehen haben werden, liegt in der Natur der Verhältnisse, aber einstweilen zwingt noch Nichts zu der Annahme, daß dieser Proccntsatz in Preußen größer sein werde als in den Ländern, in welchen die Civilehe bereits bestand und deren statistische Belege man bei der Bcrathung des Gesetzes vor Augen hatte. Gesetzt aber, jener Procentsatz stellte sich bei uns definitiv als ein höherer heraus: die Kirche müßte ihrerseits sich dann sagen, daß hier nur geholfen werden kann, wenn es ihr gelingt, die Lauen und Ab trünnigcn auss Neue zu lebendigen Gliedern ihrer Gemeinschaft zu machen. Dazu werden ihr freilich weder jene dogmatischen Zänkereien verhelfen, welche, in der protestantischen Kirche wenigstens, einen Theil der Geistlichkeit vollständig in Anspruch nehmen und sie die praktische Seelsorge ganz vergessen lassen, noch jener hierarchisch-orthodoxe Hochmuth, der die „Irrenden" mit der Geißel der „Zuckt" zurücksührcn zu können meint. Die Geistlichkeit wird unsere Zeit besser verstehen und aus diesem Verständniß heraus wirken lernen müssen. Wenn die Erscheinungen, welche das Civil- ehegesctz jetzt im Gefolge hat, dazu den Anstoß geben, so darf von ihm eher die Erneuerung als die Vernichtung de» religiösen Lebens erwartet werden. Im nächsten Monat stehen in Berlin die Neuwahlen zur Stadtverordnetenver sammlung bevor, und cS scheint, als ob dies Ercigniß eine lebhaftere Theilnahme als sonst Hervorrufen sollte. E» ist nämlich seit längerer Zeit eine bcklagenswerthe Erscheinung, daß in Berlins Communalvcrwaltung sich mehr und mehr ein verderbliches Cliquenwesen geltend macht. Eine nicht sehr große aber rührige Fraktion von extrem-fortschrittlicher Gesinnung hat aus die nicht mißverstehen I Verwaltung .einen überwiegenden Einfluß und icht durch diesen I verfügt, namentlich vermittelst der BezirkSvereinc, säst souverain über da» Stimmrecht der Berliner Wähler, sei cS zu den parlamentarischen, sei e» >zu den städtischen Körperschaften. Der Einfluß dieser radikalen „Bergpartei" hat sich in wichtigen städtischen Fragen häufig in bedenklicher Weise -1 gezeigt, und gerade letzt macht dieselbe im Hin- u > blick auf die bevorstehenden Neuwahlen außeror- ' deutliche Anstrengungen, um eine rührige Agitation ins Werk zu setzen und ihre eigenen Verdienste um Besserung der kommunalen Zustände auSzu- posaunen. Bei der steigenden Bedeutung Berlins und der bevorstehenden Erhebung dieser Stadt zur eigenen Provinz erhält die Zusammensetzung der dortigen Stadtverordnetenversammlung eine über das locale Interesse hinausgehende Wichtig keit, und es bricht sich denn auch in weiteren Kreisen die Ueberzeugung Bahn, daß eine gründ liche Reorganisation dieser kommunalen Körper schaft dringend nothwendig sei. Bereits hat sich aus der Mitte der Stadtverordnetenversammlung ein Comits gebildet, welches aus nationalliberalen und fortschrittlichen Mitgliedern besteht und in erster Linie den Grundsatz ausgestellt hat: keine politisckcn Municipalwahlen, sondern unparteiische sachliche Behandlung der städtischen Interessen! Es ist zu wünschen, daß auf diese Weise dem bis her geübten Terrorismus einer radikalen Clique wirksam entgegengetreten wird. Bekanntlich ist der Ultramontanismus seit län gerer Zeit unerschöpflich in Verdächtigungen des Freimaurerordens. „Solchen Insinuationen und den unbewiesenen Behauptungen gegenüber, wird der „Neuen Stettiner Zeitung" auS Berlin geschrieben, die ja auf unkundige Leser ihres Ein druckes nicht verfehlen, mag eS angezeigt sein, auf die von dem hier versammelt gewesenen Groß- logentage gefaßten Beschlüsse hinzuweisen. Diese Sätze enthalten gleichsam die anerkannten Prin- cipien der deutschen Maurerei, und jede Unter stellung, als ob sich die Freimaurer mit Politik und kirchlichen Fragen beschäftigten, ist danach bös willige Lüge und lächerliche Unwissenheit. 1) Die innere Arbeit der Logen an der Veredelung und sitt lichen Vervollkommnung ihrer Mitglieder ist und bleibt die Hauptsache der Maurcrei. 2) Die Logen sind nicht berufen, als Logen sich an den politischen und kirchlichen Parteikämpsen handelnd zu be- theiligcn. Sie sollen, als neutrale Friedens tempel, Brüder, welche verschiedenen politischen Parteien und Religionsbekenntnissen zugethan sind, menschlich einigen, wenn dieselben die maurerischen Ideen und Grundsätze anerkennen. 3) Dagegen sind die Logen berufen, ihre Be ziehungen zu den ethischen Lebenskreisen und Cul- turbestrebungen in den Brüdern zum klaren Be wußtsein zu bringen. Die Freimaurer sind ver pflichtet, die Grundsätze der Freimaurerei im Leben zu bethätigen und die sittlichen Grundlagen der Gesellschaft da, wo sie angegriffen werden, zu vcrthcidigen. 4) Der deutsche Groß-Logen- bund wird dafür sorgen, daß sämmtlichen deut schen Logen alljährlich maurerische Fragen vor gelegt werden. 5) Die Logen fördern durch ihre Anregung und durch die Thätigkeit ihrer Brüder die Stiftung wohlthätiger und humaner Anstalten und üben bei jeder Gelegenheit nach Kräften die Werke hilfreicher Menschenliebe anS." Mit großer Emphase haben volksparteiliche und ultramontane Organe in der letzten Zeit um die Wette versichert, daß im Großherzogthum Hessen der Nationalliberalismus gewal tig im Niedergang begriffen sei. Als Haupt- argunmnt wurden die Gemeinderathswahlcn in Mainz angeführt, wo allerdings durch eine Coa- lition der Ultramontanen und Demokraten dem nationalen Elemente die sichere Majorität genom men war. Aber die Coalition hatte erst in der Bürgermeisterwahl die Probe zu bestehen. Die Demokraten waren naiv genug zu glauben, daß ihre ultramontancn Bundesgenossen ihren Can- didaten acceptircn würden, während die Klerikalen ihrerseits in ihrer bekannten Bescheidenheit als selbstverständlich voraussetztcn, daß nur Einer aus ihren Reihen an die Spitze der Mainzer Stadt verwaltung treten dürfe. In dieser Lage hat den Demokraten denn doch das liberale Gewissen ge schlagen und so ist mit ihrer Hülfe der Candidat vcr Hlationalliberalcn zu», Bürgermeister ernannt worden. Die Ultramontancn sind außer sich vor Wuth. Die „Neue Freie Presse" schreibt: Gras C la m- Martinitz, das Haupt deS historischen Avels in Böhmen, die Seele der altczechisch-fcudalen Al lianz, der Urheber der Fundamental-Artikel, ist in seinem ReichsrathSwahlbezirke einem jung- czechischen Gegenkandidaten unterlegen. Die Po litik der That, welche mit dem Eintritte der sieben liberalen czechischen Abgeordneten in den böhmischen Landtag proclamirt wurde, hat einen Sieg erfochten, der alle Erfolge wettmacht, deren sich die Partei der PassivitätS-Politik auch bei den diesmaligen ReichSrathSwahlen in Böhmen rühmen mag. Wer die Geschichte der czechischen Oppo sition verfolgt hat, der kennt die verhängnißvolle Rolle, welche der feudale Gras in derselben von Anbeginn gespielt hat. In seiner Person ver körperte sich daS unnatürliche Bündniß, welches die ehrgeizigen czechischen Führer mit dem Feu dalismus geschlossen haben; er war der Mittels mann de» Handel», in dem daS czechische Volk seine höchsten materiellen und moralischen Inter essen um die Bundesgenossenschaft der Pfaffen und Junker preiszab; in seiner Hand liefen die Fäden zusammen, an welchen marionettengleich ein ansehnlicher, reichbegabter, betriebsamer Volksstamm nun seit vierzehn Jahren in der Irre umher geführt wird. Und gegen diesen Mann hat heute in einem unzweideutigen, vernichtenden Votum der Wille de« czechischen Volks entschieden. Haben nun Jene Unrecht behalten, welche unausgesetzt auf die Widernatürlichkeit de- czechisch-seudalen Bündnisse- hinwiesen? Will man noch leugnen, daß die Passivitäts-Politik in Böhmen unaufhalt sam ihrem Ende zueilt, daß die Auslösung der czechisch-seudalen Opposition begonnen hat? Die czechische Fraktion, die noch immer, wie einem dämonischen Zauber folgend, an dem unfrucht baren historisch-nationalen Programme festhält, mag immerhin aus die dreißig Mandate Hinweisen, die ihr auch diesmal zugesallen sind: da» Memento, welches ihr mit dem Falle ihre« Oberhauptes er- theilt wurde, wird sie nicht mehr verwinden können. Heute hat, um ein Bild des feudalen Organes i gebrauchen, die national-feudale Partei in öhmen die Königin verloren; sie spielt nur mehr mit den Bauern. Wir dürfen in Ruhe abwarten, wer die Partie gewinnen wird. Einen Beitrag zur Geschichte der sckleiäzenden Reaktion in Oesterreich, welche sich in dem Cultus- unv Unterrichtsminister verkörpert, bildet die von ihm endgiltig aufrechterhaltene Maß regelung des ebenso freisinnigen als tüchtigen Schulmannes vr. Lippert, der von seinem Posten als Rcalschuldirector in Budweis enthoben wurde. Gleichzeitig thcilt daS „Vaterland" nachstehenden Zwischenfall mit, welcher sich während der letzten Anwesenheit deS Erzherzog» Albrecht in Lemberg ereignet haben soll: „Der galizische Landesausschuß hatte sich zur Begrüßung deS Erzherzogs gemeldet und wurde huldvollst empfangen. Unter Anderem legte der Erzherzog den Landes-Ausschuß Mitglie dern ans Herz, die ,. anti - consessionellen Aus schreitungen" der ivestlichen Provinzen in Galizien zu vermeiden. Als dann der Referent über Schul sachen berichtete, ein Lehrer, welcher in seinem Nationale die Rubrik „Religion" «nt den Worten ausgcfüllt hatte: „Religion deS neunzehnten Jahr hunderts", sei vom Landes - Schulrath sofort ent lassen worden, zeigte Se. kaiserliche Hoheit sich sehr befriedigt." Die „Times" verlangt die schärfste Bestrafung des berüchtigten Nena Sahib. „Seine Thaten in Kanpur — bemerkt sie — waren die Ver körperung der niedrigsten Leidenschaften, und eS wäre sehr erwünscht, nicht nur im Interesse unserer politischen Sicherheit, sondern auch um gewisser maßen die Lust von der Verpestung solcher Ver brechen zu reinigen, daß der Hauptanstifter der selben zur Sühne seiner Schuld herangezogen werde. Es giebt Verbrechen, rücksichtlich deren nur die schärfste und überwältigendste Rache die Ansprüche der Gerechtigkeit oder die Anforderungen deS beleidigten Gefühls befriedigen kann, und da- Gemetzel in Kanpur war vielleicht daS abscheu lichste Beispiel solcher Schandthaten, welches in der Erinnerung civilisirter Zeiten lebt. Es wäre ein Unglück gewesen, wenn der Urheber jener That wirklich entkommen wäre, und e» ist wün- schenswerth, durch seine Gefangennahme und Be strafung den Beweis zu liefern, daß der Arm der britischen Macht sicher früher oder später selbst seine schlauesten Feinde erreicht." General Pa v ia, der so unerwartet und plötzlich abgesetztc Commandant der spanischen CentrumS- armee, hat einen ausführlichen Brief an den KriegS- minister gerichtet, in welchem er eine Untersuchung verlangt. Er sagt, er habe nach seinen Siegen bei Pobleta undCogulla die Schaaren Don Alfonso'S in Vistabella so umzingelt, daß an ein Entweichen derselben nicht zu denken war, und in dem Augen blicke, als er zum Angriffe schreiten und daS durch achttägige anstrengende Märsche gesponnene Netz zusan,menziehen wollte, sei er seines Oberbefehle» zum Schaden für sein Heer und das Land ent hoben worden. Seinem Verlangen nach Unter suchung ist auch entsprochen und eine Commission unter dem Vorsitze des General» Servet eingesetzt worden. Verschiedenes. — Durchdrungen von dem Ernste und der Wichtigkeit ihrer Ausgabe bewegte sich am letzten Wochenmarkt die Marktdeputation des Städtchen» S. aus den Buttermarkt, um daselbst, angesichts der jetzigen hohen Butterpreise, das Gewicht der Butter zu controliren und die etwaigen zu leichten Böcke von den vollwichtigen Schäslein zu scheiden. Doch siehe da, nicht eine der anwesenden Butter- Händlerinnen, die auch nur einen Gramm am Stückchen gutgcmacht hätte; alle wurden nicht nur vollwichtig, sondern sogar schwerer befunden. Die Deputation spendete reichlich Lob und ging gerührt nach Hause, entdeckte aber daselbst, daß sie statt mit 250,0 nur mit 150,0 Gramm Gewicht ge wogen, mithin Lob und Rührung voreilig spendirt hatte. Da indessen Magistratus immer Recht hat und sich vor Butterwcibcrn nicht blamiren darf, so begnügte man sich mit den Resultaten dieser Revision, doch dürfte dadurch S. bald da- Eldorado aller Butterhändlerinnen werden. (Dr.N.) — Kürzlich verübte in Nord Hause« der Lehrer Heyser einen entsetzlichen Selbstmord. Der Unglückliche hatte ohne Zweifel eine moderne „Leichenverbrennung" beabsichtigt, denn sein Bettgestell (eigentliche Betten hatte er nicht) war mit allen möglichen Brennstoffen angesüllt, mit Stroh, Heu, Lumpen u. s. w., und um dasselbe waren eigen» dazu demolirte Möbel gestellt, um dem beabsichtigten Feuer weitere Nahrung zu geben. Mit andern Möbeln hatte der ver storbene die nach der Schlaskammer führende Stubenthür barrikadirt, überhaupt Alle- ganz zweckmäßig eingerichtet, um in feinem Vorhaben nickt gestört zu werden. Leider hatte er aber nicht daran gedacht, daß seine Leichenverbrennung auch den Mitbewohnern de- Hause- und diesem selbst Schaden zufügen werde.
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