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Unsere geistige Ueberproduction und deren Hoffnungslosigkeit. 61 geographischen Congresse*) die gegenwärtigen Zustände unserer „ge bildeten" Gesellschaftsklassen: „Die Zunahme der Studenten an den Universitäten ist für uns Professoren in mehr als einer Beziehung etwas sehr Angenehmes, aber für das ganze Volk in mehr als einer Beziehung etwas Bedenkliches. Wenn in Berlin 3- bis 4000 Studenten sind, mehr als doppelt so viel, wie vor 15 Jahren, und auch die übrigen Universitäten an Frequenz ähnlich zugenommen haben, so fragt sich: ist im Verlauf eines halben Menschenalters das Bedürfniß nach doppelt so vielen Leuten, welche die Universitäten durchlaufen, auch doppelt so groß geworden? Ich antworte darauf: im Großen und Ganzen nein! Wir haben schon wieder in Preußen 3000 Re ferendare und in wenigen Jahren wird es mit dem „unbesoldeten Assessor" ebenso stehen, wie vor nicht langer Zeit! Ganz so verhält es sich auch auf anderen Gebieten mit dem Angebot geistiger Kräfte. Ferner der technische Beruf, — da wird man sagen: ja, die wirth- schaftliche Krisis bewirkt, daß weniger Leute begehrt werden. Aber auch hier ist das Angebot in normalen Zeiten größer als die Nach frage. Ich weise auch auf die jungen Kaufleute hin. Unsere Militär verfassung, die Institution der Einjährig-Freiwilligen, drängt sehr darauf hin, daß junge Leute der unteren Mittelstände bis zur Secunda die Schule besuchen; dann wollen sie freilich nicht mehr Handwerker werden, sondern Krämer, Kaufleute, kurz in die liberalen Berufe über gehen. Im Baufach soll die Lage eine ganz ähnliche sein. Kurz, wohin wir sehen, werden wir einen Krästeüberschuß gewahr, und das zeigt, daß eine relative Uebervölkerung vorliegt." In allen Elasten unserer Bevölkerung ist die Concurrenz auf Leben und Tod in unheilvoller Schärfe entbrannt; die Unbehaglichkeit, die gesteigerten Ansprüche und die Hoffnungslosigkeit aber werden mit der wachsenden Bildung des Geistes stets in unverhältnißmäßig stärkerem Maße gefühlt. In den „gebildeten" Kreisen sind es nicht nur die materiellen Bedürfnisse des Lebens und Strebens, sondern auch das Wissen und Können selbst, welche dem Menschen zur erdrückenden Last *) Bergt, den „Bericht über die Verhandlungen rc." xuA. 18 und ferner auch die 7 Artikel desselben Gelehrten über „Volksvermehrung und Auswanderung" in den Beilagen zu den Nrn. 160, 162, 163, 164, 165, 168 und 170 der „Allgemeinen Zeitung", Augsburg im Juni 1880. Diese eingehende und sehr interessante Dar stellung unserer jetzigen Auswanderungsverhältnisse gipfelt in dem Satze (xax- 2482 in Nr. 170): .Wir sind unter solchen Umständen (bei unserem großen Volks zuwachse, aber geringem Wohlstände und daher stark überwiegenden Verwendung unserer Culturarbeit für die Aufziehung der Jugend) leider großentheils nur die Kinderstube und Schulstube der Welt, namentlich auch für Amerika."