Wachsthum der Culturkräfte durch deren Betätigung. 55 diese Gebiete dem deutschen Wesen und der deutschen Sprache gewinnen und erhalten. Indem wir auf diese Weise unfern Nationalcharakter draußen in der weiten Welt stärken, heben wir denselben auch daheim, denn die Rückwirkung solcher extensiven Bethätigung der Nationalität hat auch den englischen Nationalcharakter erst zu dem gemacht, was er heute ist. Es kann nicht ausbleiben, daß auch das nationale Leben und Bewußtsein in Deutschland durch solche extensive Culturpolitik wesentliche Kräftigung erfahren würde. Schaffen wir unserer Nation nur thatsächlich den erforderlichen Raum*) zu ihrer freien, selbst ständigen Entwicklung, dann bilden wir dadurch auch zugleich in uns selbst die Kraft aus, auf dieser Basis weiter zu bauen. Das Annectiren und Occupiren überseeischer Länder hat allerdings an und für sich nicht den mindesten Werth für die betreffende Nationalität, wenn sie dieselben nicht zu verwerthen versteht; es kann sie alsdann sogar lächerlich machen, wie dies einer uns benachbarten Nation zu wiederholten Malen geschehen ist. Dadurch aber, daß wir uns solche Gebiete wirtschaftlich zu eigen machen und auf denselben culturelle Leistungen vollbringen, können wir unsere Nationalität nach innen wie nach außen stärken. Dadurch allein können wir uns neben anderen Nationen zur Geltung bringen; dadurch allein können wir möglicher Weise auch die Achtung, welche andere Nationen vor uns haben, in Sympathie verwandeln. Solche Leistungen allein setzen uns schließlich in den Stand sogar andere Nationalitäten in die unsere aufzusaugen, und sichern uns vor der Gefahr selbst von einem andern Stamme absorbirt zu werden. An dem Beispiele Englands sehen wir wie durch die Vortheile solcher extensiven Culturpolitik die Stärke und Bedeutung des englischen Stammes lavinenartig wächst. Eine beständige wechselseitige Beein flussung der inneren Kräfte der Nation durch ihre äußeren Leistungen, und umgekehrt desgleichen, ist die stetig wirkende Ursache solcher Steigerung der Nationalität; freilich nicht eine so mechanisch gedachte Wechselwirkung der Erfordernisse einer wachsenden Kriegsmarine und des wachsenden Colonialbesitzes, wie Herr vr. Kapp dieselbe scherzhaft ausführte (M§. 135), sondern eine organische Wechselwirkung zwischen den wachsenden Culturkräften der Nationalität und ihren culturellen Leistungen. Erfolge in überseeischen Ländern werden das Selbst- vertraun und die Selbstständigkeit unseres Volkes heben; das Ansehn, *) Die englische Sprache bezeichnet diesen Begriff sehr treffend mit dem bildlichen Ausdrucke „sich Elbogen-Raum schaffen".