Die Gründe der Entnationalisirung des Deutschthums im Auslande. 51 die Willenskraft der Nation sich zu genügender Stärke der Leistungs fähigkeit erheben. — Oder ist solche Einsicht etwa entbehrlich? Was anders als der Mangel eben dieser Einsicht unseres Volkes ist denn der Grund der allbekannten rapiden Entnationalisirung des Deutschthums im Auslande?! Allerdings mehrt sich die Zahl der dem kommenden Geschlechts der deutschen Nation Angehörigen auch im Auslande. Woher aber kommt es, daß man noch so oft, namentlich in Nord-Amerika, Deutsche der älteren Generation und Kinder solcher deutschen Eltern trifft, welche sich ihrer deutschen Herkunft schämen und meist die erbittertsten Gegner des Deutschthums sind? — Dort draußen gehen den Leuten erst die Augen auf über die culturpolitische Winzigkeit unserer Nation innerhalb des großen Ganzen der Weltcultur. Hier daheim meinen die Leute meist, mit der Gründung des deutschen Reiches sei diese Thatsache geändert. Kaum um ein Haar! Freilich könnte jetzt die deutsche Nation wohl recht Vieles thun, was ihr früher nicht möglich war; aber was hilft dieses Können, so lange sie es nicht thut?! Unsere Reichsregierung hat allerdings in der kurzen Zeit unseres nationalen Bestehen schon manchen günstigen Einfluß nach außen geübt und manche Schande unserer Nationalität verhütet. Doch was nützt solches edle und energische Streben; was nützen selbst die besten Kräfte der Gesammtheit, wenn diese keinen Gebrauch davon macht. Die besten, tief innerlichen, culturellen Elemente unseres deut schen Wesens traten, und treten auch heute noch, keineswegs zu Tage; sie verbergen sich gerade im Auslande nur zu oft hinter einer rauhen, unbeholfenen Form. Die große Masse der deutschen Einwanderer in Amerika nnd in den brittischen Colonien sticht gegen die dort ein- wanderuden Engländer, Schotten, Franzosen oder andere Völkertypen oft sehr unvortheilhaft ab durch die mangelnde Gewandtheit ihres Auftretens und durch das mangelnde Selbstbewußtsein ihrer äußeren Erscheinung. Die gebildeten oder doch bereits im Fremdlande geistig acklimatisirten Deutschen, welche diesen Unterschied empfindlich be merken, fühlen sich alsdann oftmals genirt, zugestehen zu sollen, daß sie mit diesen sogenannten »vntollinon« zu einer Nationalität gehören. Die äußere Erscheinung unseres Volkstypus also erhöht den Werth unserer Nationalität im Auslands nicht; außerdem aber giebt es in den Augen der meisten Menschen nur noch e i n e n Maßstab, um ihren Werth zu ermessen. Das ist der culturpolitische Einfluß der Nationalität. In diesem Puncte aber erscheint Deutschlands Macht, nach wie vor, immer noch wie ein Zwerg im Vergleich zu dem Riesen der brittischen