48 Das letzte Aufflackern unserer nationalen Lebenskraft. schließlich an den heimatlichen Boden unseres Volkes heftet und sich an die bisherigen Grenzen des Vaterlandes bindet, die Möglichkeit einer dauernden Lebensexistenz unserer deutschen Nation aber ganz außer Acht läßt. An demjenigen Streben dagegen, welches nicht an der Scholle klebt, sondern nur die geistige Existenz unseres nationalen Lebens im Auge hat, an diesem Patriotismus erkennt man erst die jenigen Geister, welche zur „kommenden Generation" unseres Volkes gehören. „Es giebt bekanntlich für die Langlebigkeit eines Volkes kein besseres Förderungsmittel, als das Gefühl der Gegenwart für die Zukunft verantwortlich zu sein" (Roscher*). Dieses Gefühl eben ist es, was die kommende Generation vor unserm älteren Geschlechts voraus hat, und was sie besonders von diesem unterscheidet. Es ist klar, wenn unsere Verhältnisse bis in's nächste Jahrhundert hinein so fortdauern wie jetzt, wenn sie deutsche Nation sich nicht zu größeren Leistungen als bisher aufrafft, sich nicht jetzt eine breitere Basis ihrer selbstständigen nationalen Existenz schafft und sich fortan nicht zu allgemeinerer Bedeutung im Kreise der Civilisation empor arbeitet, — kurz, wenn das deutsche Volk nicht gegenwärtig sich in einem neuen kommenden Geschlechts von Grund aus regenerirt, dann wird die Gründung des deutschen Reiches nur das letzte Auflackern des Lebenslichtes unseres alternden Volkes vor seinem gänzlichen Erlöschen sein, dann werden deutsche Sprache, deutsche Wissenschaft und deutsche Kunst der langen Reihe älterer Culturformen beigezählt werden, welche überwundene Phasen der Vergangenheit darstellen, nur noch in den Erzählungen der Geschichte fortleben und der Nach welt in todten Sprachen von solchen Völkerexistenzen Nachricht geben, die zu schwächlich und zu unverständig waren, um ihr eigenartiges Wesen im Kampf der widerstreitenden Culturelemente dauernd zur Geltung zu bringen und sich den Sieg des Ueberlebens zu sichern. — Der national-resignirende Pessimismus unserer älteren Kosmopoliten ist nur ein natürliches Vorgefühl solches kläglichen Endes unserer Nationalität. Er ist zugleich das lautest-redende Zeugniß der uns drohenden Gefahr und das deutlichste Anzeichen, an welchem sich die Größe dieser Gefahr ermessen läßt. Solche politische Resignation ist das allerbedenklichste Symptom nationaler Altersschwäche. Alles, was ist, hat seine vorhergehenden zureichenden Ursachen. Begründet also ist solcher resignirende Kosmopolitismus für die Ver gangenheit jedenfalls; es fragt sich jetzt nur, ob er auch im Hinblick "*) Wilhelm Roscher „Ansichten der Volkswirthschaft» Leipzig 1878 (3. Ausl.) I. Band xnA. 4ö.