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44 Die deutsche Narrheit der Fremdthümelei. UM selbstthätig unsere Cultur in die Welt hinaus- und hineinzutragen, wenn nicht unsere „kommende Generation" voll und ganz zur Geltung gelangt: der Geist unseres älteren Geschlechts ist offenbar nicht im Stande uns deutsch zu erhalten. Das bisherige Deutschland ist viel mehr zweifellos in noch sehr viel größerer Gefahr, vom fremdlän dischen Wesen absorbirt zu werden, als Frankreich. Bei keinem civilisirten Volke der ganzen Welt ist die Albernheit der Schwärmerei für alles Fremde so groß, wie bei uns. Was aus England, Frankreich, Italien, Rußland, Ungarn oder Botvkutien kommt, alles ist gut, nur Das nicht, was uns die Heimath bietet, es sei denn, daß es etwa von einem persönlich Bekannten oder Ver wandten herrühre. Ganz dieselbe Vorliebe, welche jede andere Nation für ihre eigenen Leistungen hat, dieselbe Vorliebe hat der Deutsche älteren Sinnes für das Ausländische; und ein je geringeres Prestige deutsches Wesen und deutsche Leistungen bei anderen Nationen haben, ein um so größeres Prestige haben die Leistungen dieser Nationen bei uns. Es ist dies zum Theil in dem Streben der Eitelkeit begründet, durch Äußerlichkeiten, nicht durch geistigen Werth sich vor seiner Umgebung auszeichnen zu wollen — ein sehr bedenkliches Zeichen der kulturellen Schwäche eines Volkes! —; zum großen Theil aber ist dies auch eine Nachwirkung des, durch die verschiedenen Generationen dreier Jahrhunderte uns anerzogenen, Schamgefühls der Miserabilität unserer Nation. In der Dunkelheit unseres nationalen Elends blendete uns der strahlende Glanz des Glückes unserer Nachbarvölker so sehr, daß schließlich unsere besten Culturkräfte kaum noch ihren eigenen Weg zu finden wußten und ihre eigene Arbeit zu leisten vermochten. Wenn unsere kürzlich inaugurirte Schutzzollpolitik auch gar keinen anderen politischen Zweck verfolgte, so müßte ihr doch jedenfalls der Vortheil unbestritten bleiben, daß sie wenigstens einige Deutschen zwingen wird, sich von ihrer Narrheit der Fremdthümelei zu entwöhnen, oder dieselbe noch theurer als bisher zu bezahlen. Beliebt mag da durch bei den Deutschen ihre eigene Nationalität vielleicht noch nicht werden, auch ein Prestige derselben wird dadurch kaum während eines Menschenalters in unserm starrköpfigen Volke begründet werden können; aber es wird dadurch doch wenigstens Gerechtigkeit geübt, und unsere jetzt eben aufkeimenden Culturkräfte werden davor bewahrt, von deni Wust der Vorurtheile unserer älteren Generationen wie bisher erstickt zu werden. Vor allem herrscht bei uns der Einfluß des französischen Wesens, eine Neminiscenz aus vorigen Jahrhunderten, die gegenwärtig immer