90 Die Kostspieligkeit der Colonisation und ihre Rentabilität. An technischen Einwendungen gegen deutsche Colonialpolitik erhebt Herr vr. Kapp nur zwei, und auch diese, obwohl schon oftmals widerlegt, sollen hier wiederum in Kürze als irrthümlich nachgewiesen werden. Zunächst die Kostspieligkeit der Colonisation. Damit ist natürlich nicht die Beträchtlichkeit der erforderlichen Capitalauslagen gemeint, denn daß diese an und für sich in dem Geld- und Credit- wesen der modernen Welt alle Bedeutung verloren haben, das weiß natürlich Herr vr. Kapp sogut wie jeder andere gebildete Mensch auch. Es handelt sich vielmehr nur um die Sicherheit und die Rentabilität der erforderlichen Capitalanlagen. Was nun zunächst die Sicherheit anbetrifft, so ist freilich der Credit des deutschen Reiches am Weltmärkte bisher noch verhältnißmäßig sehr gering. Für wie „sicher" aber immerhin die deutsche Nation an unseren! heimischen Geldmärkte gilt, dafür haben wir bereits seit der Zeit des Norddeutschen Bundes einige befriedigende Bespiele aufzuweisen. Die Rentabilität extensiver Cnlturpotitik ferner hängt ausschließlich von der Energie und Geschicklichkeit ab, mit welcher solche Politik betrieben wird. Trotz der ungeheuren Neichthümer, welche Spanien aus seinen amerikanischen Besitzungen zog, hat sich die spanische Colonialpolitik für die spanische Nation schließlich nicht rentabel erwiesen. Mit culturschwachen Kräften begonnen, diente sie nur zur weiteren De- -moralisation des Volkes. Nicht viel rentabler mag sich die jetzige Colonialpolitik der Franzosen für diese Nation erweisen. Die über seeische Politik Frankreichs im 17. Jahrhundert war allerdings ein wesentlicher Grundstein seiner späteren Größe; aber wenn die Franzosen jemals das Talent zu einer extensiven Cultur-Entwicklung gehabt haben, so scheint ihnen diese Begabung jetzt jedenfalls abhanden ge kommen zu sein. Von dieser Begabung aber hängt der Erfolg der Colonisation allein ab. Diese war und ist auch die Ursache, weshalb England und Holland ihre überseeische Politik zu höchster Rentabilität erhoben haben und noch jetzt jährlich fast den gleichen Betrag als Handelsgewinn aus ihrer extensiven Culturpolitik ziehen, wie die Capitalauslage, welche ihnen diese ursprünglich gekostet hat. Für die romanischen Nationen wird Colonialpolitik wohl allerdings als eine schlechte Speculation gelten müssen; für die germanischen Völker aber ist sie eine Capitalanlage zu einem schließlichen Ertrage von 100 «/o pro anno. Wir Deutschen, das wird Herr vr. Kapp wohl zugeben, dürfen uns auch für ein germanisches Volk halten! Li-M —